Neuausrichtung der Mineralölwirtschaft: BP plant klimaneutral 

Mit ihrer Neuausrichtung unterstreicht die Mineralölwirtschaft, dass sie zu den Klimaschutzzielen 2030 und 2050 steht und einen wesentlichen Beitrag leisten will. Das gelingt nur mit nachhaltigeren Produkten und neuen Geschäftsfeldern. Einen Umbau plant beispielsweise der britische Energiekonzern BP.

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Foto: Konvex Media / BP Europe SE

Viele Unternehmen der Mineralölwirtschaft wollen ihre Klimabilanz und die ihrer Produkte verbessern und langfristig Klimaneutralität erreichen. Neben der Produktion von zunehmend grünen Kraft- und Brennstoffen engagieren sie sich dazu in neuen Feldern wie Öko­stromerzeugung und E-Mobilität.

Wir gehen in einer Serie den Fragen nach: Wie sieht die Neuausrichtung der Mineralölwirtschaft angesichts der Herausforderungen von Energiewende und Klimaschutz aus? Wie definieren die Unternehmen ihre Rolle? Welche Ziele setzen sie sich? Und welche Aktivitäten und Maßnahmen ergreifen sie, um angesichts der gravierenden Veränderungen bei Gewinnung, Versorgung und Nutzung von Energie wirtschaftlich erfolgreich bleiben zu können?

Fossile Energien verlieren bei Neuausrichtung der Mineralölwirtschaft an Bedeutung

Der Trend ist eindeutig: Die weltweite Nachfrage nach Öl und Gas sinkt. Die erneuerbaren Energien Wind, Solar, Biomasse und Wasserstoff ersetzen zunehmend die fossilen Energien. Zwar verläuft die Entwicklung auf dem Globus uneinheitlich, aber letztlich wird die Bedeutung der fossilen Energien insgesamt abnehmen. Das  haben die großen wie die kleineren Unternehmen der Mineralölindustrie, deren Hauptgeschäft das Fördern und Weiterverarbeiten von Öl und Gas ist, schon vor Jahren geahnt und erste Schritte im Bereich der erneuerbaren Energien unternommen.

Jetzt nimmt die Neuausrichtung der Mineralölwirtschaft weiter Fahrt auf. Dazu gehört auch das klare Bekenntnis zum Klimaschutz. Die Branche steht zu den Klimaschutzzielen 2030 und 2050 und will einen wesentlichen Beitrag leisten. Klimaschutz, das Reduzieren der Treibhausgasemissionen in allen Bereichen, ist zum festen Bestandteil der Unternehmensleitbilder geworden. So machen sich BP, Shell, Total und weitere Player auf den Weg, ihre Unternehmen und Produktpaletten umzubauen: Sie wollen die eigenen Treibhausgasemissionen und die ihrer Produkte reduzieren und früher oder später zu führenden Anbietern von grünen Energien werden und investieren dafür Milliarden.

„Grüner Wasserstoff ist wichtig für die Ausrichtung unserer Raffinerien mit nachhaltigeren Kraftstoffen in einer CO2-ärmeren Zukunft.“

Wolfgang Langhoff

Vorstandsvorsitzender, BP Europa SE

Die Ölbranche startet den Umbau: Beispiel BP

Innerhalb der nächsten 30 Jahre dürfte sich der Anteil der fossilen Energieträger Kohle, Gas und Öl mehr als halbieren, heißt es im neuen „Energy Outlook“, den der britische Energiekonzern BP jährlich auf der Grundlage empirischer Daten erstellt. Damit breche eine neue Ära an, so BP-Vorstandschef Bernard Looney anlässlich der Vorstellung der Analyse. Die Menschheit werde erstmals aus einem Mix verschiedenster Quellen versorgt werden. Neben Wind, Solar und Wasserstoff zählen die BP-Analysten auch Erdgas und Atomkraft sowie übergangsweise Kohle und Öl dazu. „Damit geht es in Zukunft nicht mehr um die Verfügbarkeit eines einzelnen Energieträgers, sondern um die Wahl des Verbrauchers“, heißt es im „Energy Outlook“.

Mineralölkonzern wandelt sich zum integrierten Energiedienstleister

Die BP-Gruppe, zu der in Deutschland neben Raffinerien die Marken Aral und Castrol gehören, will bis zum Jahr 2050 oder früher klimaneutral werden. Dazu sollen die Treibhausgasemissionen aller Betriebsaktivitäten weltweit von derzeit jährlich etwa 55 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent vermieden und der Treibhausgasausstoß aus der Öl- und Gasförderung auf null gesetzt werden. Darüber hinaus soll die Treibhausgasintensität aller von BP vertriebenen Produkte um 50 Prozent bis spätestens zum Jahr 2050 sinken. Um diese ambitionierten Klimaziele zu erreichen, will sich das Unternehmen zu einem integrierten Energiedienstleister entwickeln. „Wir transformieren BP in eine ganz andere Art von Unternehmen“, sagt Vorstandschef Looney: „Nicht über Nacht, aber schnell.“

Bis 2030 will BP die Förderung von Öl und Gas bereits um 40 Prozent reduzieren. Stattdessen will der Konzern die Investitionen in CO2-arme Technologien verzehnfachen und die Kapazitäten zur Ökostromproduktion auf 50 Gigawatt verzwanzigfachen. Fünf Milliarden Dollar pro Jahr sollen in den Konzernumbau fließen. Ein wichtiger Baustein in diesem Kontext ist der Aufbau der Produktion und der Verarbeitung von grünem Wasserstoff, etwa für die CO2-Reduktion in der Raffinerieproduktion oder im nächsten Schritt für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe für verschiedene Mobilitätsbereiche.

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Am Raffineriestandort Lingen will BP künftig grünen Wasserstoff erzeugen und verarbeiten.
Die Raffinerie wird zudem Teil des Wasserstoffnetzes der GET-H2-Nukleus-Initiative. 
Bild: BP Europe SE

BP und Ørsted wollen grünen Wasserstoff herstellen

In Kooperation mit dem dänischen Energieerzeuger Ørsted plant BP hierzu den Bau einer 50-Megawatt-Elektrolyseanlage auf dem Gelände seiner Raffinerie in Lingen im Emsland. Hierfür soll erneuerbarer Strom von Offshore-Windparks in der Nordsee von Ørsted genutzt werden. Die Anlage könnte eine Tonne erneuerbaren Wasserstoff pro Stunde erzeugen, der in der Raffinerie zur Herstellung von treibhausgasreduzierten Kraftstoffen genutzt wird. Rund 20 Prozent des derzeit in der Raffinerie aus fossilem Erdgas erzeugten Wasserstoffs könnten dadurch ersetzt werden. Die Inbetriebnahme ist für 2024 vorgesehen. In einer zweiten Phase könnte die Elektrolyse auf 150 Megawatt erweitert werden.

Käme auch die Herstellung synthetischer Kraftstoffe etwa für die Luftfahrt hinzu, könnten nach BP-Angaben in einem weiteren Projektschritt Elektrolysekapazitäten von 500 Megawatt entstehen. Mit dem Projekt komme man dem Ziel, „die Betriebsaktivitäten bis spätestens 2050 klimaneutral zu machen, einen wesentlichen Schritt näher“, so Wolfgang Langhoff, Chef von BP Europa SE. Im Zusammenspiel mit dem GET-H2-Nukleus-Vorhaben biete sich zudem ein Anknüpfungspunkt an eine öffentlich zugängliche Wasserstoffinfrastruktur.

GET H2 Nukleus: erstes öffentliches Wasserstoffnetz

Der Aufbau des ersten öffentlich zugänglichen Wasserstoffnetzes in Deutschland ist das Ziel der GET-H2-Nukleus-Initiative, an der BP ebenfalls beteiligt ist. Sofern die politischen Rahmenbedingungen stimmen, sollen bereits ab Ende 2022 über das rund 130 Kilometer lange Netz Industrieunternehmen in Niedersachsen und NRW zunehmend mit grünem Wasserstoff (H2) versorgt werden. Dazu soll wiederum in Lingen eine 100-Megawatt-Elektrolyseanlage gebaut werden. Der Wasserstoff soll größtenteils über bestehende Gasleitungen zu industriellen Abnehmern wie der BP-Raffinerie und den Chemieparks in Lingen, Marl und Gelsenkirchen transportiert werden. Die dortigen Unternehmen setzen bereits heute große Mengen Wasserstoff in ihren Produktionsprozessen ein und reduzieren durch die Umstellung auf grünen Wasserstoff ihre CO2-Emissionen erheblich.

Fortschrittliche Biokraftstoffe

Im Feld der fortschrittlichen Biokraftstoffe ist BP unter anderem an dem EU-Projekt BioMates beteiligt. Aus Nicht-Nahrungspflanzen und Reststoffen erzeugte, vorbehandelte Bioöle – sogenannte BioMates® – sollen gemeinsam mit den fossilen Einsatzstoffen in der Raffinerie zu einem Biohybridkraftstoff verarbeitet werden. Das BioMates-Projekt zielt darauf ab, aus holz- oder halmgutartigen Reststoffen und Agrarprodukten wie Stroh und Gräsern, etwa dem schnellwachsenden, mehrjährigen Gras Miscanthus, durch ein Pyrolyseverfahren flüssige Zwischenprodukte herzustellen, die optimal auf den Raffinerieprozess abgestimmt sind. Die Raffinerien können solche biobasierten Zwischenprodukte mit zuverlässig gleichbleibenden Eigenschaften in den bereits existierenden komplexen Anlagen (Co-Processing) weiterverarbeiten. Dabei entstehen zukunfts­fähige Kraftstoffe mit einem höheren biogenen Anteil als bisher üblich.

 Quelle: raffiniert 4/2020

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