Der Weg der Ampel in die grüne Stromerzeugung

In seiner „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ von Anfang Januar hat Robert Habeck als neuer Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz sehr eindrücklich die enormen Herausforderungen dargestellt, die Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität meistern muss. Mit dem von Russland ausgelösten Ukraine-Krieg haben sich die Rahmenbedingungen für die deutsche und europäische Klimapolitik noch einmal deutlich verändert. Der bis 2045 geplante weitgehende Ausstieg aus der Nutzung von Öl, Kohle und Gas hin zu erneuerbaren Energien erhält nunmehr auch aus sicherheitspolitischen Gründen höchste Dringlichkeit. Es gilt, mittelfristig die Importabhängigkeit von fossilen Energien zu reduzieren und Stück für Stück mehr Energiesouveränität aufzubauen. Neben der Steigerung der Energieeffizienz in allen Nachfragesektoren sind der weitere Ausbau der grünen Stromerzeugung in Deutschland, der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft sowie der Import von alternativen Energieträgern aus sonnen- und windreichen Regionen die zentralen Aufgaben.

Grüne Stromerzeugung WIndräder im Wald

Osterpaket – Habeck macht den Aufschlag beim Erneuerbaren-Ausbau

Mit einem Klimaschutzsofortprogramm noch in diesem Jahr, das eine ganze Reihe von Gesetzen, Verordnungen und weiteren Maßnahmen in den verschiedenen Sektoren beinhalten soll, will die Bundesregierung Deutschland auf den Klimaschutzzielpfad 2030 und 2045 bringen. Bis zum Ende des Jahres sollen alle dafür notwendigen Verfahren abgeschlossen sein. Minister Habeck macht mit der „Beschleunigungsnovelle“ des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, der Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes und mit der im Koalitionsausschuss vereinbarten Absenkung der EEG-Umlage zum 1. Juli 2022 auf null (EEG-Entlastungsgesetz) den Aufschlag.

Im Jahr 2035 soll Deutschlands Stromerzeugung treibhausgasneutral sein

Eine der größten Baustellen ist der Energiesektor, er muss den Großteil der nationalen Treibhausgasminderungsziele bis 2030 und 2045 erbringen. Der grünen Stromerzeugung kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, da die Sektoren Verkehr, Industrie und Gebäude elektrifiziert und die Wasserstoffelektrolyse hochgefahren werden müssen. Die Stromproduktion basiert aktuell zu rund 60 Prozent auf den fossilen Energien Kohle, Gas und Öl sowie der Kernkraft. Die Ampelkoalition hat sich das Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von aktuell rund 42 auf 80 Prozent im Jahr 2030 zu erhöhen. Fünf Jahre später soll der Strom in Deutschland nahezu vollständig aus erneuerbaren Energien stammen, so das Ziel der vom Wirtschafts- und Klimaministerium (BMWK) geplanten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), die am 1. Januar 2023 in Kraft treten soll.

Das geltende EEG 2021 sieht für das Jahr 2030 einen Erneuerbaren-Anteil am deutschen Bruttostromverbrauch von 65 Prozent. Schon dieses Ziel gilt als ambitioniert. Um das neue 80-Prozent-Ziel zu erreichen, ist eine deutliche Beschleunigung beim Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlich. Neben der kurzen Frist von gut acht Jahren erhöht der Anstieg des Strombedarfs im Zuge der Elektrifizierung von Industrie, Verkehr und Wärme von etwa 560 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2021 auf über 700 TWh im Jahr 2030 den Beschleunigungsdruck massiv. Das BMWK unterstellt im EEG-Entwurf für das Jahr 2030 mit einem Bruttostromverbrauch von 715 TWh, von denen folglich 572 TWh aus erneuerbaren Energien erzeugt werden sollen. Das entspricht mehr als einer Verdoppelung gegenüber heute.

Dass der Stromverbrauch deutlich steigen wird, ist unstrittig. Das E-Auto soll mehr und mehr den Wagen mit Verbrennungsmotor ersetzen – die Zielgröße für 2030 sind 15 Millionen vollelektrische Pkw. Die elektrische Wärmepumpe soll zunehmend Öl- und Gasheizungen im Heizungskeller ersetzen – 2030 sollen rund 6 Millionen Geräte installiert sein. Außerdem wird Strom in großen Mengen nötig sein, um per Elektrolyse Wasserstoff und Folgeprodukte herzustellen, die für die Dekarbonisierung der Industrie (Stahl, Chemie, Petrochemie), für Teile des Verkehrs (Luftfahrt, Lkw) sprich für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes, unverzichtbar sind. Obendrauf kommt die Digitalisierung, sprich Rechenzentren, die immer größere Strommengen benötigen. Laut dem Branchenverband Bitkom dürfte sich der Bedarf bis 2030 auf 23 bis 29 TWh erhöhen.

Bis 2035: PV-Leistung verfünffachen, Windenergie verdreifachen

Um die neuen Ausbauziele zu erreichen, werden im EEG-Entwurf die Ausbaupfade und Ausschreibungsmengen für Wind an Land und Solar deutlich angehoben. Die Ausbauraten bei Windenergie an Land sollen von 2,5 Gigawatt (GW) im Jahr 2022 auf ein Niveau von 10 GW/Jahr bis 2027 und bei der Solarenergie von 7 GW auf 20 GW/Jahr bis 2028 gesteigert und bis 2035 gehalten werden. Für das Jahr 2035 sieht das Gesetz eine installierte Leistung der Windenergie an Land von 160 GW (2021: 55 GW) vor, bei der Solarenergie 284 GW (2021: 59 GW). Der Beitrag der Windenergie auf See soll dann 40 GW (2021: 8 GW) betragen.

Installierte Leistung zur grünen Stromerzeugung

Entwicklung von 1990 bis 2021 und Projektion bis 203 nach EEG 2021 im Vergleich mit EEG-Entwurf 2023

Grüne Stromerzeugung - Grafik zur Entwicklung 1990 bis2021 und Ausblick bis 2023

EE-Nutzung soll Vorrang erhalten

Zur Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus in allen Rechtsbereichen wird mit der EEG-Novelle der Grundsatz verankert, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Bei Windenergie an Land sollen Hemmnisse des Natur- und Artenschutzrechts, des Planungsrechts oder durch zu geringe Flächenausweisungen durch ein eigenes Gesetz Windenergie-an-Land-Gesetz abgebaut werden.
Die Rahmenbedingungen für die Solarenergie werden durch ein großes Bündel an Einzelmaßnahmen für die verschiedenen Anlagentypen verbessert. Das Flächenangebot für Freiflächenanlagen wird erweitert, Floating- und Agri-PV sollen in das EEG-Förderregime überführt werden. Windenergieprojekte bis 18 MW und Solar-Freiflächenprojekte bis 6 MW von Bürgerenergiegesellschaften will die Ampel-Koalition von der Ausschreibungspflicht ausnehmen. Zudem sollen Kommunen besser am Ausbau der Erneuerbaren beteiligen, auch bei Solarparks.

EEG-Umlage fällt weg und der Eigenverbrauch wird gestärkt

Die KWKG-Umlage und die Offshore-Netzumlage sollen künftig nur für die Entnahme von Strom aus dem öffentlichen Netz erhoben werden, so dass künftig keine Umlagen mehr auf Eigenverbräuche und Direktbelieferungen hinter dem Netzverknüpfungspunkt anfallen. Außerdem sollen Wärmepumpen von den Umlagen ausgenommen werden. Die im Strompreis enthaltene EEG-Umlage von aktuell 3,723 Cent/kWh entfällt künftig.

Die Finanzierung für die Förderung der erneuerbaren Energien soll ab 2023 vollständig über den Bundeshaushalt erfolgen. Dazu wird der Bund Zuschüsse, die sich aus dem Energie- und Klimafonds speisen sollen, auf das EEG-Konto der Übertragungsnetz-betreiber einzahlen. Der angenommene Finanzbedarf für den Zeitraum 2023 – 2026 liegt bei rund 62,7 Mrd. Euro. Davon sind rund 59,9 Mrd. Euro für die EEG-Bestandsanlagen (bis einschließlich 2022) eingeplant.

Herstellung von grünem Wasserstoff

Vorgesehen ist eine Förderung von innovativen Konzepten mit wasserstoffbasierter Stromspeicherung. Diese soll es laut Entwurf für Wind- oder Solaranlagen geben, die überschüssigen Strom in Wasserstoff umwandeln und später rückverstromen. Die Wasserstoffspeicher sollen per Ausschreibung in den Markt gebracht werden, beginnend im Dezember 2023 mit einem Volumen von 400 MW. In den Folgejahren sollen weitere Runden mit größeren Volumina folgen. Neue Biomethananlagen ab 10 MW und KWK-Anlagen sollen ab Juli 2023 nur noch dann eine Genehmigung und eine Förderung erhalten, wenn sie ab 2028 komplett auf Wasserstoff bzw. auf eine Verstromung mit Wasserstoff umstellen. Der Wirtschaftsverband en2x lehnt den vorgesehen Förderungsausschluss ab, da Biomethan in einigen Anwendungsgebieten die einzige, praktikable Lösung zur THG-Minderung sei. Biomethan solle daher weiterhin als förderfähiger Brennstoff im KWKG 2023 erhalten bleiben. Zumindest dürfe ein teilweiser Einsatz von Biomethan nicht zum vollständigen Verlust der KWK-Förderung führen, so der Verband.

Hohe Anforderungen hemmen Wasserstoffhochlauf

Für Ökostrom, der für die Herstellung von grünem Wasserstoff verwendet wird, sinkt die EEG-Umlage auf null. Die Umlagebefreiung wird aber durch eine Reihe zu erfüllender Kriterien eingrenzt. So ist unter anderem ein glaubhafter Nachweis erforderlich, dass der für die Elektrolyse verwendete Strom tatsächlich aus regenerativen Quellen stammt. Dazu sollen „gekoppelte Herkunftsnachweise“ erbracht werden, um eine tatsächliche Lieferbeziehung zwischen den Betreibern von Ökostromanlage und Elektrolyseur bei einem Strombezug aus dem Netz zu belegen. Ein solcher Nachweis ist keineswegs trivial, besonders dann nicht, wenn der Strom aus dem öffentlichen Netz gezogen wird. Insgesamt sind die im Gesetzentwurf vorgesehenen Anforderungen zur Umlagebefreiung bei der Herstellung von grünem Wasserstoff komplex. Zudem sind die Anforderungen an grünen Wasserstoff nach wie vor nicht konkretisiert. Hier wartet der Gesetzgeber noch auf die Vorgaben der EU. Die Diskussion zu dieser Frage im Rahmen des delegierten Rechtsakt zur Renewable Energy Directive II sind noch nicht abgeschlossen. Für den vielbeschworenen Wasserstoffhochlauf ist das kontraproduktiv. „Bei zahlreichen Projekten stehen die finalen Investitionsentscheidungen aufgrund der Unsicherheit infolge des nach wie vor fehlenden Rechtsrahmens und möglicherweise zu restriktiver Kriterien bei der Definition von Grünstrom zur Wasserstofferzeugung aus“, so en2x.

 

„Klar ist auch: mittels Elektrifizierung allein werden wir das Ziel der Treibhausgasneutralität nicht erreichen.“

Dr. Robert Habeck

Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz

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