Nationale Plattform Zukunft der Mobilität: Mit E-Motoren allein werden die Klimaziele nicht erreicht

Im Verkehr sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40 Prozent auf 95 Millionen Tonnen sinken. Das wird nach Einschätzung von Experten der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität nur mit unterschiedlichen alternativen Antrieben und „grünen“ Kraftstoffen gelingen.

Nationale Plattform Zukunft und Mobilität Titelmotiv Autobahn im Sonnenuntergang

Foto: Paul – stock.adobe.com

Elektromobilität, Wasserstoff/Brennstoffzelle und neue alternative Kraftstoffe – alle drei werden künftig im Straßenverkehr mit Pkw und Lkw nötig sein, um die im Klimaschutzgesetz fixierte CO2-Minderung annähernd zu erreichen. Autos und Nutzfahrzeuge verursachen etwa 95 Prozent aller CO2-Emissionen im Verkehr (2014: insgesamt 160 Mio. t), hier liegt das größte Einsparpotenzial, dies ist im jüngsten Bericht der Arbeitsgruppe 2 „Alternative Antriebe und Kraftstoffe“ der von der Bundesregierung initiierten „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“ (NPM) zu lesen. Die AG 2 plädiert vor diesem Hintergrund für mehr Technologieoffenheit bei der Förderung von alternativen Antrieben und Kraftstoffen und für einen zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien.

Im Vordergrund der Untersuchungen der unabhängigen Expertengruppe stand die Bewertung der Klimaschutzwirkung von Elektromobilität, Wasserstoff und Brennstoffzellen sowie von biomasse- und strombasierten alternativen Kraftstoffen unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen. Passend genutzt, können diese technologischen Optionen spezifisch zur CO2-Reduzierung beitragen.

Alternative Kraftstoffe müssen auch im Pkw-Verkehr einen Beitrag leisten

„Der Status quo der betrachteten Antriebs- und Kraftstoffoptionen ist hinsichtlich des technischen Reifegrads, des Markthochlaufs und der Akzeptanz erst mal sehr verschieden. Hinzu kommen die Interessen der betroffenen Akteure. Das haben wir natürlich berücksichtigt“, so die Leiterin der AG 2 der NPM, Prof. Dr. Barbara Lenz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Im Ergebnis zeigt die AG 2 ein CO2-Minderungspotenzial für den Verkehr innerhalb eines Korridors von 26 bis 63 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2030 auf. Dabei leisten im günstigsten Fall die E-Mobilität (bis zu 25,6 Mio. t), strombasierte sowie biomassebasierte Kraftstoffe (16,9 bzw. 14,3 Mio. t) die größten Beiträge zur CO2-Reduzierung. Allerdings betonen die Autoren, dass es auch unter optimistischen Entwicklungs- und Rahmenbedingungen zusätzlicher Anstrengungen bedürfe, um das für 2030 vorgegebene Ziel zu erreichen. Denn dazu sind 65 Millionen Tonnen weniger CO2-Emissionen nötig. Die fehlenden 2 Millionen Tonnen müssten Bahn, Flugzeuge und Schiffe bringen. Die Abschätzung zum CO2-Minderungspotenzial verdeutlicht: Allein über Elektroautos ist der CO2-neutrale Verkehr nicht zu erreichen. Nach der Einschätzung der AG 2 werden 2030 in Deutschland bis zu 10,5 Millionen Elektrofahrzeuge und weniger als 0,5 Millionen Brennstoffzellenfahrzeuge im Bestand unterwegs sein.

2030: Verbrennerflotte muss wesentlich zur CO2-Minderung beitragen

Um die vorgegebenen CO2-Einsparungen zu erreichen, muss also ein wesentlicher CO2-Senkungsbeitrag aus der Flotte mit Verbrennungsmotor kommen, die im Jahr 2030 Schätzungen zufolge gut 35 Millionen Fahrzeuge zählen wird. Daher könnten die CO2-Einsparziele nur durch ein technologieoffenes Umfeld für Innovationen im Verkehr erreicht werden, heißt es in dem Bericht. Dazu gehören unter anderem die Entwicklung von noch effizienteren und schadstoffärmeren Verbrennungsmotoren und Hybridantrieben sowie die verstärkte Nutzung von nachhaltig erzeugten Biokraftstoffen und die Markteinführung strombasierter synthetischer Kraftstoffe.

Über die Verwendung von Biokraftstoffen aus nachhaltiger Herstellung lässt sich aus Sicht der Experten der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß bis 2030 um die oben genannten 14,3 Millionen Tonnen senken. Dazu müssten allerdings die von der EU erlaubten Quoten überschritten werden dürfen. Unter Berücksichtigung des derzeitigen technischen Entwicklungsstandes seien bis 2030 weitere industrielle Anlagen zur Produktion von fortschrittlichen Biokraftstoffen wie Biomethan, Bioethanol aus Stroh und HVO/HEFA auf der Basis von Tallöl zu erwarten.

CO2-Minderungspotenzial alternativer Antriebe und Kraftstoffe bis 2030

Grafik Nationale Plattform Zukunft der Mobilität

* Gegenläufige Effekte (z. B. Zunahme des Güterverkehrs, Strukturveränderungen der Fahrzeugflotte) wurden nicht berücksichtigt.
Quelle: Nationale Plattform Zukunft der Mobilität, Arbeitsgruppe 2 „Alternative Antriebe und Kraftstoffe für nachhaltige Mobilität“, Berlin, April 2020

Quelle: Nationale Plattform Zukunft der Mobilität

Nationale Plattform Zukunft der Mobilität fordert große Produktionskapazitäten für E-Fuels umgehend zu realisieren

Anders als bei den Biokraftstoffen und abgesehen von diversen Pilotanlagen, existieren bislang noch keine nennenswerten Produktionsanlagen für strombasierte Kraftstoffe. Zudem muss auch die für die Kraftstoffherstellung eingesetzte Energie aus erneuerbaren Quellen stammen, um die für 2030 anvisierte CO2-Reduktion im Verkehr sowie langfristig Klimaneutralität erreichen zu können. Die optimistischsten Annahmen aus der Fachwelt beziffern die ab dem Jahr 2030 in Deutschland zur Verfügung stehende Menge an strombasierten Kraftstoffen auf bis zu 190 Petajoule pro Jahr – mit Produktionsstätten überwiegend im Ausland.

„Für diese Kraftstoffmenge müssten jährlich Anlagenkapazitäten in Höhe von knapp 1.000 MW/a (Leistung auf thermische Outputleistung Kraftstoff) in Betrieb gehen. Dies entspricht einer Elektrolyseurkapazität von 1.800 MW (Elektrolyseurleistung bezogen auf elektrische Eingangsleistung), einem Windkraftaufbau von 5.200 MW und einem PV-Zubau von 7.800 MW“, heißt es im Bericht der Arbeitsgruppe.

Vorhandene Infrastruktur kann weiter genutzt werden

Flüssige alternative Kraftstoffe können unter Einhaltung der bestehenden Kraftstoffnormen sofort im heutigen Pkw- und Lkw-Fahrzeugbestand eingesetzt werden und sind mit einigen Ausnahmen (zum Beispiel Wasserstoff, Methanol) mit der heutigen Infrastruktur weitestgehend kompatibel. Das senkt nicht nur den Investitionsbedarf bei der Markteinführung solcher Kraftstoffprodukte. Weil vorhandene Transportschiffe, Pipelines, Speicher, Raffinerien und Tankstellen weiter genutzt werden, kann die Erzeugung von grünem Wasserstoff und weiterer Vorprodukte auch in Regionen erfolgen, die erneuerbaren Strom in großen Mengen und günstiger als in Deutschland gewinnen, beispielsweise in Nordafrika und Nahost.

Mit Blick auf die strombasierten Kraftstoffe für Verbrenner empfiehlt das Expertengremium den Aufbau von Produktionsanlagen für alternative Kraftstoffe. Dieser müsse „umgehend in großtechnischer Ausprägung erfolgen, um die großen Mengen sicher darstellen zu können“. Dazu müssten geeignete politische Rahmenbedingungen wie technologiespezifische Verwendungsquoten oder steuerliche Förderung gesetzt und parallel weitere Forschung und Entwicklung betrieben werden.

Fazit:

Neben Elektroantrieb und Brennstoffzelle werden auch im Straßenverkehr mit Pkw und leichten Nutzfahrzeugen regenerative flüssige und gasförmige Kraftstoffe im beträchtlichen Umfang benötigt, um die nationalen Klimaschutzvorgaben zu erfüllen. Damit diese Optionen effizient und effektiv genutzt werden können, ist mehr Technologieoffenheit gefragt. Die Politik muss zügig einen wirksamen und verlässlichen Rahmen auch für die weitere Entwicklung und die erfolgreiche Markteinführung alternativer Kraftstoffe schaffen.

Quelle: raffiniert 3|2020

Das verbindliche Sektorziel für den Verkehr

Zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens hat die Bundesregierung im Klimaschutzplan 2050 für alle Sektoren spezifische Zielkorridore zur Reduktion von THG-Emissionen bis zum Jahr 2030 festgelegt. Diese Zielkorridore sowie jährliche Reduktionsziele bis 2030 sind im Klimaschutzgesetz von 2019 festgeschrieben. Im Verkehrssektor (ohne internationalen Luft- und Schiffsverkehr) sollen die Emissionen um 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Im Jahr 2030 dürfen maximal noch 95 bis 98 Millionen t CO2-Äquivalente ausgestoßen werden.

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