Wie wird Klimaschutz bezahlbar?

Flüssige Kraft- und Brennstoffe zum Fahren, Fliegen und Heizen sind im Alltag der meisten Menschen heute unverzichtbar. Weltweit steigt die Nachfrage sogar. Wie passt das zu dem Klimaschutzziel einer treibhausgasneutralen Energieversorgung und dem Geldbeutel der Verbraucher? Das sind die zentralen Fragen der Prognos-Studie „Status und Perspektiven flüssiger Energieträger in der Energiewende“.

E-Fuels: Synthetische Kraftstoffe für den Klimaschutz

Grafik: IWO

In der Diskussion um mehr Klimaschutz dominierten in den vergangenen Jahren häufig die Stimmen, die sich für eine direkte Verwendung erneuerbar produzierten Stroms einsetzen – etwa in E-Autos oder Strom-Wärmepumpen. Das gipfelte zum Teil in der Vision einer „All-Electric-Society“. Doch so einfach ist es nicht. Das zeigte spätestens die im Juni 2018 veröffentlichte Leitstudie „Integrierte Energiewende“ der Deutschen Energie-Agentur (dena). Sie macht deutlich: Es gibt nicht die eine Lösung. Vielmehr ist ein breiter Technologie- und Energiemix sogar deutlich günstiger ist als Szenarien, die primär auf Elektrifizierung setzen.

Auch erneuerbare flüssige Energieträger werden demnach zukünftig einen entscheidenden Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten. Diese Einschätzung wurde kurze Zeit später durch die Prognos-Untersuchung bestätigt.

Warum sind flüssige Energieträger aus erneuerbaren Quellen so entscheidend?

Analysiert wurden in der Studie zwei Szenarien mit 80 beziehungsweise 95 Prozent Treibhausgasreduktion in Deutschland gegenüber 1990. Die Autoren zeigen dabei für die Verbrauchsbereiche Mobilität, Wärme und Chemie auf, wie mit Hilfe von E-Fuels die Klimaziele erreicht werden können.

In manchen Bereichen – etwa im Flugverkehr, der Schifffahrt, dem Straßengüterfernverkehr sowie in der chemischen Industrie – sind laut der Studie flüssige Energieträger und Rohstoffe nicht oder nur schwer zu ersetzen. Für andere Sektoren – zum Beispiel im Pkw-Verkehr und im Gebäudebereich – wird ein Wettbewerb zwischen treibhausgasneutralen flüssigen Energieträgern und anderen Systemen erwartet.

Daraus folgt: Der Einstieg in die Entwicklung erneuerbarer flüssiger Energieträger ist unverzichtbar und somit eine No-regret-Maßnahme.

„Verbraucher und wichtige Wirtschaftsbereiche werden auch künftig flüssige Energieträger benötigen“, so Jens Hobohm, Leiter Energiewirtschaft und Studienleiter bei der Prognos AG, anlässlich der Studienveröffentlichung. Will Deutschland das klimapolitische Ziel einer 80- bis 95-prozentigen Reduktion der Treibhausgase erreichen, sei es daher entscheidend, flüssige Energieträger wie Kerosin, Benzin oder Diesel zunehmend treibhausgasreduziert herzustellen.

Dies ist mittels verschiedener Verfahren, wie etwa Power-to-Liquid (PtL), Biomass-to-Liquid (BtL) oder Power-and-Biomass-to-Liquid (PBtL), möglich. Der Clou: Die vorhandene Infrastruktur vom Tanklager bis zum Motor oder zum Heizkessel kann weiter genutzt werden. Denn die neuen Fuels sind kompatibel mit bestehenden Technologie und können in steigenden Anteilen den heutigen Brenn- und Kraftstoffen sogar beigemischt werden: Drop-in-fähig nennt man so etwas. Eine wichtige Voraussetzung, damit auch die heute bereits existierenden 58 Millionen Fahrzeuge und 15 Millionen Heizungen ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten können, ohne vorher auf neue Systeme wechseln zu müssen.

 

„Verbraucher und wichtige Wirtschaftsbereiche werden auch künftig flüssige Energieträger benötigen.“

Jens Hobohm

Leiter Energiewirtschaft, Frontier Economics

Ist das alles bezahlbar?

Laut der Studie könnten mit PtL im Jahr 2050 erneuerbare Kraft- und Brennstoffe zu Kosten zwischen 70 Cent je Liter (bei optimalen Standortbedingungen) und rund 1,30 Euro je Liter erzeugt werden. Damit wäre PtL für Verbraucher, je nach Anwendung, gegenüber rein strombasierten Lösungen auch preislich wettbewerbsfähig. Voraussetzung dafür sei ein großindustrieller Einstieg in die PtL-Technologie, damit die in der Studie angenommenen Lerneffekte erzielt und Kosten gesenkt werden können.

Natürlich sollte PtL zudem so effizient wie möglich eingesetzt werden. Im Klartext: Es geht nicht darum, fossile Brennstoffe eins zu eins zu ersetzen. Eine Verringerung des Verbrauchs durch Effizienz oder Verhaltensänderung ist in jedem Fall sinnvoll. Der Einsatz der neuen Energieträger wäre ansonsten jedoch denkbar einfach.

No-regret-Maßnahme

Laut der Studie ergeben sich besonders günstige Effekte für Klimaschutz und Handel, wenn man auch die erneuerbare Energieversorgung international organisiert. „Die Produktion von PtL würde vor allem in besonders sonnen- und windreichen Ländern erfolgen und dort positive volkswirtschaftliche Perspektiven eröffnen“, so Hobohm. Damit Verbraucher ihre Autos oder Heizöltanks zukünftig mit erneuerbar hergestellten Kraft- und Brennstoffen befüllen können, empfehlen die Studienautoren unter anderem, eine Roadmap zu entwickeln, Forschungs- und Entwicklungskapazitäten auszubauen und einen allmählichen, aber stetigen Markthochlauf anzustreben.

Auftraggeber der Untersuchung waren: Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO), MEW Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland, Mineralölwirtschaftsverband (MWV) und UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen. Erstellt wurde die Studie von der Prognos AG, dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik sowie dem Deutschen Biomasseforschungszentrum im Sommer 2018. Hier finden gibt es weitere Infos zur Studie „Status und Perspektiven flüssiger Energieträger in der Energiewende“.

#eFuels - Brennstoff der Zukunft

Future Fuels, also Brennstoffe, die auf Basis erneuerbarer Energien synthetisch erzeugt werden, spielen aus Sicht vieler Experten eine wesentliche Rolle für die Energieversorgung der Zukunft. Sehen Sie in unserer Multimedia-Reportage (Pageflow), wie E-Fuels & Co. hergestellt werden können und wie der Stand der Forschung ist.

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