Wasserstoff in der Chemieindustrie

Um klimaneutral zu werden, muss – neben der Elektrifizierung – im großen Stil grüner Wasserstoff in der Chemieindustrie zum Einsatz kommen. Das Unternehmen Wacker Chemie plant im Bayerischen Chemiedreieck einen ersten Anlagenkomplex zur Herstellung von grünem Wasserstoff und erneuerbarem Methanol.

 

Wasserstoff in der Chemieindustrie - Standort Burghausen Wacker Chemie

Foto: Wacker

Damit die Klimaschutzziele erreicht werden können, muss der Sektor Industrie bis 2050 Prozesse und Produkte klimaneutral machen. Die Chemieindustrie steht dabei vor der Herausforderung, ihre Herstellungsverfahren mit Ökostrom zu elektrifizieren, Kohlenstoffkreisläufe zu schließen und fossile durch erneuerbare Rohstoffe zu ersetzen. Dazu zählt unter anderem Wasserstoff, der derzeit noch überwiegend aus fossilem Gas gewonnen wird. An seine Stelle soll grüner Wasserstoff als Rohstoff für die Chemieindustrie treten. Hier werden die jährlich benötigten Mengen von aktuell 1,1 Millionen Tonnen auf rund 7 Millionen Tonnen im Jahr 2050 steigen, prognostiziert der Verband der Chemischen Industrie. Der größte Teil davon soll in Deutschland an den Chemiestandorten erzeugt werden, was den Aufbau von Elektrolyseanlagen erforderlich macht.

Zwischenzeitlich haben diverse Unternehmen entsprechende eigene Anlagenprojekte gestartet (überwiegend im zweistelligen Megawattbereich) oder sind an branchenübergreifenden Konsortien zum Aufbau von Wasserstoffinfrastruktur beteiligt, wie etwa der Initiative GET H2 Nukleus für Raffinerie- und Chemiestandorte in Niedersachsen und NRW oder dem Projekt GreenHydroChem für das Mitteldeutsche Chemiedreieck Leuna-Buna-Bitterfeld. Im Bayerischen Chemiedreieck (ChemDelta Bavaria) haben sich Wacker, OMV Deutschland – das Unternehmen betreibt in Burghausen eine Raffinerie –, DB Cargo, die Technische Hochschule Rosenheim und weitere Partner zur Initiative H2-Reallabor Burghausen zusammengefunden. Das Chemiedreieck zählt zu den größten Wasserstoffnutzern in Bayern.

Das Bayerische Chemiedreick

Wasserstoff in der Chemieindustrie - Bayerisches Chemiedreieck

Eine Reihe der Unternehmensstandorte sind über ein Pipeline-Netz verbunden, über das künftig auch grüner Wasserstoff verteilt werden könnte.
Bild: Wacker

Wasserstoff und Methanol für die Chemieindustrie in Burghausen aus nachhaltiger Erzeugung

Im Zuge des Projekts RHYME (Renewable Hydrogen and Methanol) plant die Wacker Chemie AG am Standort Burghausen den Bau eines Anlagenkomplexes zur Produktion von grünem Wasserstoff und erneuerbarem Methanol. Bestandteil des geplanten Komplexes ist eine Elektrolyseanlage mit einer Leistung von 20 Megawatt, in der aus Wasser und erneuerbarer Energie grüner Wasserstoff erzeugt wird. Geplant ist darüber hinaus eine Syntheseanlage, in welcher der grüne Wasserstoff mit Kohlenstoffdioxid aus bestehenden Produktionsprozessen zu erneuerbarem Methanol weiterverarbeitet wird. Die Kapazität dieser Anlage soll bei 15.000 Tonnen pro Jahr liegen. Sowohl Wasserstoff als auch Methanol bilden die Basis für die Herstellung weiterer Produkte, wie beispielsweise Siliconen oder Polysilicium. Im Vergleich zu den bestehenden Methanol-Herstellungsprozessen ließen sich mit dem neuen Verfahren die CO2-Emissionen um mehr als 80 Prozent senken, heißt es in einer Wacker-Pressemitteilung.

Günstiger Grünstrom in großer Menge

Das Unternehmen verfolgt mit dem Projekt das Ziel, den Anteil fossiler Rohstoffe und Energieträger in chemischen Prozessen und Produkten deutlich zu reduzieren. „Wasserstoff ist dafür ein essenzieller Baustein – sei es als Energieträger, als Rohstoff oder als Reduktionsmittel“, sagt Dr. Christian Hartel, seit Mitte Mai Wacker-Vorstandsvorsitzender. Der Schlüssel zu einer klimaneutralen Produktion liege in der Elektrifizierung der Industrie. Erforderlich dafür seien große Mengen von Strom aus erneuerbaren Quellen zu günstigen Preisen. „Die richtigen Instrumente sind deshalb ein zügiger Ausbau der erneuerbaren Energien und die Einführung eines wettbewerbsfähigen Industriestrompreises in Europa, der bei maximal 4 Cent pro Kilowattstunde liegen darf“, so Hartel im raffiniert-Interview.

Wasserstoff in der Chemieindustrie -Schema der geplanten Anlage in Burghausen

Der am Standort Burghausen geplante Anlagenkomplex beinhaltet eine 20-Megawatt-Elektrolyseanlage sowie eine Syntheseanlage, in der grüner Wasserstoff mit CO2 aus bestehenden Produktionprozessen zu erneuebarem Methanol weiterverabeitet werden soll.
Bild: Wacker

Staat muss Wasserstoffhochlauf unterstützen

Das Investitionsvolumen für das RHYME- Projekt liegt bei 100 Millionen Euro. Dafür haben die Projektpartner Förderanträge bei der Europäischen Union sowie beim Bundesumweltministerium eingereicht. Die EU unterstützt über ihren Innovationsfonds neue kohlenstoffarme Technologien und Prozesse in energieintensiven Industrien bis 2030 mit insgesamt 10 Milliarden Euro. Die für das Vorhaben beantragte Förderung liegt nach Unternehmensangaben im höheren zweistelligen Millionenbereich. Das Projekt habe sich in einer Vorauswahl der EU gegen mehrere Hundert andere Vorhaben durchgesetzt. Sollten die beantragten Mittel genehmigt werden, könnte der Bau der Anlagen bereits Anfang 2022 beginnen, die Inbetriebnahme wäre noch vor Ende des Jahres 2024 möglich.

Die öffentlichen Fördermittel sind laut Wacker zwingende Voraussetzung, da sich ein solcher Anlagenkomplex gegenwärtig wirtschaftlich nicht selbst trage. Perspektivisch betrachtet, stellt das RHYME-Projekt den ersten Schritt zur Defossilisierung chemischer Prozesse und Produkte im Bayerischen Chemiedreieck dar. Langfristig ließe sich dadurch in der Region der heute bereits bestehende Wasserstoffverbund in ein bayerisches Zentrum für grünen Wasserstoff überführen. Auf diese Weise könnten in dieser Region Produkte wie Silicone und Silicium für Photovoltaikanwendungen, aber auch Bau- und Treibstoffe klimaneutral hergestellt werden.

2 Kommentare

  1. Anton Schwarz

    Meine Bitte wäre, sich einmal realistisch mit dem Thema Wasserstoff Herstellung, Speicherung und Transport zu befassen. Die Speicherung von Erneuerbaren Energien zur wirtschaftlichen H2 Erzeugung sollte, auch wegen eines 24/7 h Betrieb (mindestens 8000 h im Jahr), als wichtiger Aspekt mit berücksichtigt werden.

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    • Herbert Rißel

      Wäre es nicht sinnvoller, an Stelle der Wasserstoffmobilität dafür das Methanol zu nutzen? Die Handhabung des Methanols wäre wesentlich einfacher und sicherer als bei Wasserstoff. Die Infrastruktur bei Tankstellen und Autos günstiger umzurüsten. Es gibt ja mittlerweile auch Brennstoffzellen, die direkt Methanol in Strom umwandeln können. Es wäre lediglich eine kleine Pufferbatterie nötig um die Brennstoffzelle in einem konstanten Leistungsbereich betreiben zu können.

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