Fortschrittliche Biofuels können zur europäischen Verkehrswende beitragen

Fortschrittliche Biofuels – auch bekannt als Biokraftstoffe der zweiten Generation – können eine größere Rolle bei der Dekarbonisierung des europäischen Verkehrs spielen als bisher angenommen. Eine neue Studie aus England kommt zu dem Schluss, dass in Europa bis 2050 jährlich bis zu 175 Millionen Tonnen fortschrittliche und abfallbasierte Biokraftstoffe produziert werden können, ohne dass die biologische Vielfalt beeinträchtigt wird.

Moderne Biofuels der zweiten Generation

Die gesamte in der EU potenziell verfügbare, nachhaltige Biomasse sei mehr als ausreichend, um den Luft- und Seeverkehr sowie einen Teil des Straßenverkehrs mit Rohstoffen für biobasierte flüssige Kraftstoffe zu versorgen. Das zeigt die aktuelle Studie „Sustainable biomass availability in the EU to 2050“. Als nachhaltig gilt Biomasse mit geringem Risiko für eine indirekte Landnutzungsänderung (engl. = indirect Land Use Change; kurz iLUC) – also beispielsweise Reststoffe aus Land- und Forstwirtschaft oder Bioabfälle. Beauftragt wurde die Studie bei Imperial College London Consultants von Concawe, dem wissenschaftlich-technischen Gremium der europäischen Raffinerieindustrie.

Die Studienersteller bewerteten die Verfügbarkeit nachhaltiger Rohstoffe in drei verschiedenen Szenarien (niedrige, mittlere und hohe Mobilisierung von Rohstoffen). Dabei stellten sie fest: Selbst wenn Teile der Biomasserohstoffe für Produkte für die Sektoren Energie, Industrie und Haushalt verwendet werden, dürfte der Anteil für den Verkehr im Jahr 2050 ausreichen, um bis zu 135 Mio. Tonnen Biokraftstoffe zu produzieren. Unter Berücksichtigung der Biomasseeinfuhren in die EU könnte die Produktionskapazität sogar bis zu 175 Mio. Tonnen Biokraftstoffe erreichen.

Einschätzung von „Clean Fuels For All“ weit übertroffen

Das Studienergebnis untermauert eine frühere Studie von Concawe, die dem Strategiepapier „Clean Fuels For All“ der europäischen Mineralölwirtschaft zugrunde liegt. Hier ging man sogar noch von deutlich geringeren Biofuels-Anteilen aus: Die Concawe-Studie aus dem vergangenen Sommer besagt, dass die europäische Mineralölindustrie bis 2050 je nach Szenario und Technologiekostenentwicklung insgesamt bis zu 150 Mio. Tonnen alternative Kraftstoffe pro Jahr produzieren könnte – davon je zur Hälfte synthetische strombasierte Kraftstoffe und fortschrittliche Biokraftstoffe. Letztere hauptsächlich aus lignocellulosehaltigen Rohstoffen wie land- und forstwirtschaftlichen Rückständen und Bio- Abfällen. Laut Concawe könnten diese alternative Fuels – ergänzend zur Elektrifizierung – eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung des EU-Verkehrs im Einklang mit dem Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 spielen.

Anhand der jetzt vorgelegten Studienergebnisse zum Potenzial fortschrittlicher Biofuels gewinnt dieser Beitrag sogar noch weiter an Bedeutung. John Cooper, Generaldirektor von FuelsEurope, erklärte zu der neuen Studie von Imperial College London Consultants, „dass die Einschätzung des Biomasse-Potenzials auf sehr konservativen Annahmen beruht. Es gibt zusätzliches Potenzial von Algen-Biokraftstoffen und anderen nachhaltigen Biomasse-Rohstoffen, die in den Berechnungen überhaupt noch nicht berücksichtigt wurden, unter anderem, weil sie nicht in den Anhängen der Renewable Energy Directive (REDII) auftauchen.“ Die Biomassepotenziale könnten in den kommenden Dekaden also noch deutlich höher ausfallen als in der Studie geschätzt.

„Die begrenzte Verfügbarkeit von Biomasse wurde oft als Rechtfertigung genutzt, die Rolle von treibhausgasarmen Flüssigbrennstoffen klein zu reden. Diese Studie kann die Debatte versachlichen.“

John Cooper

Generaldirektor, FuelsEurope

Wie steht es um Nachhaltigkeit und biologische Vielfalt?

Die von den Experten des Imperial College London Consultants angewandten Nachhaltigkeitskriterien für Biomasse entsprechen denen, die von der Europäischen Kommission im Rahmen der RED II festgelegt wurden. Traditionelle Biokraftstoffpflanzen (erste Generation) wurden nicht berücksichtigt.

John Cooper erklärt: „Die biologische Vielfalt wurde in der Studie sorgfältig berücksichtigt. Die hier als verfügbar geltenden Ausgangsstoffe haben keine negativen Auswirkungen auf die Biodiversität.“ Die Studie basiert auf zwei Grundprinzipien für die Erzeugung der Biomasse: 1. der Erhaltung von Flächen mit bedeutendem Wert für die biologische Vielfalt und 2. einer Landbewirtschaftung ohne negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt. Bei diesen Bewertungen wurde zusätzlich das Fraunhofer Institut zurate gezogen.

Verstärkung der Strategie für kohlenstoffarme flüssige Brennstoffe

Zu politischen Dimension der Studienergebnisse sagt John Cooper: „Die begrenzte Verfügbarkeit von Biomasse wurde oft als Rechtfertigung genutzt, die Rolle von treibhausgasarmen Flüssigbrennstoffen klein zu reden. Diese Studie kann die Debatte versachlichen. Mit 135 Mio. Tonnen potenzieller Produktionskapazität allein in Europa für fortschrittliche Biokraftstoffe und weiteren 70 bis 80 Mio. Tonnen für E-Fuels wird mehr als genug zur Verfügung stehen, um unser Clean-Fuels-For-All-Szenario und möglicherweise noch höhere Nachfrageniveaus zu versorgen.“ Er fügte hinzu: „Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs braucht Zeit für die Umstellung der Fahrzeugflotte und Verteilungsinfrastrukturen. Treibhausgasarme flüssige Kraftstoffe sind während des Übergangs zu einem elektrifizierten Straßenverkehr die effizienteste Möglichkeit, Emissionen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zu reduzieren.“

Laut der Ergebnisse der Studie „Sustainable biomass availability in the EU to 2050“ können kohlenstoffarme flüssige Kraftstoffe eine „no-regret“-Option sein, die kurz- und langfristige Vorteile bietet: der Fahrzeugbestand mit Verbrennungsmotor könnte treibgasgasarm betrieben werden, ebenso würde die Skalierung der Produktionskapazitäten die Kosten für diese Kraftstoffe sukzessive reduzieren. Und wenn langfristig die Nachfrage nach flüssigen Kraftstoffen im Straßenverkehr zurückginge, könne das dann verfügbare Volumen zu konkurrenzfähigen Preisen für den Luft- und Seeverkehr genutzt werden.

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