E-Auto oder E-Fuels: Wir brauchen beides!

Immer häufiger werden in der aktuellen Debatte um die Verkehrswende Stimmen laut, die darauf hinweisen, dass die Klimaziele für den Verkehrssektor mit E-Mobilität allein nicht zu schaffen seien. Als Ergänzung werden E-Fuels ins Spiel gebracht, mit denen auch konventionelle Verbrennungsmotoren eine CO2-neutrale Perspektive bekommen. Wir haben darüber mit einem Experten für Fahrzeugentwicklung gesprochen: Dr. Norbert Alt, Vorsitzender der Geschäftsführung der FEV (Forschungsgesellschaft für Energietechnik und Verbrennungsmotoren) Europe GmbH, im Interview.

Dr. Norbert Alt,  Vorsitzender der Geschäftsführung der FEV Europe GmbH
Foto: FEV / Stefan Durstewittz

Herr Alt, welche Rolle können E-Fuels aus Ihrer Sicht beim Klimaschutz spielen?

Dr. Norbert Alt: „Um die Klimaschutzziele zu erreichen, brauchen wir die Elektromobilität. Das ist ein ganz wichtiger Baustein. Aber wir haben hier Simulationen erstellt und alles durchgerechnet: Selbst wenn ab heute jedes zweite neu zugelassene Auto ein E-Auto wäre, würden wir die Klimaschutz-Ziele von 2050 nicht erreichen. Als Ergänzung brauchen wir E-Fuels.“

Was ist mit den herkömmlichen Kraftstoffen, die wir heute tanken?

Dr. Norbert Alt: „Wir müssen bis 2040 komplett weg von fossilen Kraftstoffen, wenn wir die Pariser Klimaschutzziele für 2030 und 2050 erreichen wollen. Wir sagen: Wir lassen das Öl einfach in der Erde. E-Fuels müssen dabei eine wichtige ergänzende Rolle zur Elektromobilität spielen. Wir sehen E-Fuels durchaus auch in Autos. Es wird niemals ein Flugzeug mit Batterie fliegen, aber im Automobilbereich ist die Elektromobilität mittlerweile die zunehmend angestrebte Antriebslösung, sollte aber durch E-Fuels ergänzt werden.“

Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile von E-Fuels?

Dr. Norbert Alt: „Viele E-Fuels sind rückwärtskompatibel und können konventionellen Kraftstoffen beigemischt werden. Das ist ein Riesenvorteil für Autofahrer: Auch Menschen, die ein altes Fahrzeug fahren und noch kein modernes E- oder Hybrid-Auto, können ein CO2-freies Auto fahren. Die Herstellung und Verwendung von E-Fuels ist annähernd treibhausgasneutral.“

Und die Nachteile?

Dr. Norbert Alt: „Von Kritikern der E-Fuels wird öfter der Wirkungsgrad genannt. Da heißt es, ein Auto mit Verbrennungsmotor und E-Fuels würde – von der Kraftstoffherstellung bis zum Rad – fünf bis sechsmal mehr Energie verbrauchen als ein E-Auto. Allerdings muss man dabei bedenken, dass auch ein Elektroauto nicht immer unter Idealbedingungen fährt und man den Wirkungsgrad da realistischer berechnen muss: Fahre ich im Winter E-Auto mit eingeschalteter Sitzheizung, ist die Reichweite schnell runter. Um die Wirkungsgrade fair zu vergleichen, sollte man das mitbedenken. Bei einem modernen E-Auto ist die Differenz zwischen den Wirkungsgraden noch 2 bis 2,5 – an wirklich kalten und dunklen Tagen fällt dieser Faktor auch schnell deutlich unter 2.“

Auch der Preis wird ja häufig von Kritikern genannt…

Dr. Norbert Alt: „Derzeit wären E-Fuels noch teurer als herkömmliche, fossile Brennstoffe, von denen wir ja aber weg müssen. Der Preis an der Zapfsäule ist jedoch etwas, das vor allem politisch festgelegt wird: Den größten Anteil am Endpreis für den Verbraucher machen Steuern aus. Das ist eine Stellschraube, an der man drehen kann.“

Wie steht Deutschland bei der Erforschung von E-Fuels im internationalen Vergleich da?

Dr. Norbert Alt: „An der RWTH Aachen wird seit mehr als 20 Jahren zu CO2-neutralen Kraftstoffen geforscht. Da geht es um Fragen wie: Welche Eigenschaften muss ein Kraftstoff haben, damit ich ihn blenden kann? Was bedeutet das für den Motor? Der Standort Aachen ist in Europa eine zentrale Forschungsstelle zu diesen Fragen. Von der Forschung her sind wir bereits sehr weit – und weltweit einer der Pole-Position, unter denen, die sich besonders stark mit E-Fuels auseinandersetzen.“

In welchen Ländern ist das Interesse sonst noch hoch?

Dr. Norbert Alt: „Ich spreche mit vielen Menschen und sehe ein Umdenken. Auch in Saudi-Arabien hat man verstanden, dass deren Zukunft nicht mehr in fossilen Energieträgern, sondern in regenerativer Energie und Zukunftstechnologien wie E-Fuels liegt.“

Warum kann man noch keine E-Fuels tanken?

Dr. Norbert Alt: „Ich bin jedes Mal traurig, dass man in Deutschland noch keine E-Fuels tanken kann, wenn ich an einer Tankstelle vorbeikomme. Die Forschung wäre bereit, Demonstrationsanlagen gibt es bereits. Hier wäre die Politik am Zug: Damit E-Fuels für den Normalverbraucher bereitstehen, bräuchte es milliardenschwere Investitionen in Produktionsanlagen, die sich aber mit Blick auf die Klimaziele Deutschlands lohnen würden. Die Politik müsste hierzu zum Beispiel die Quoten von E-Fuels verbindlich vorschreiben oder finanzielle Anreize schaffen.“

Wo könnten künftig die Anlagen stehen und E-Fuels produziert werden?

Dr. Norbert Alt: „In der MENA-Region, also in der Region vom Nahen Osten bis nach Nordafrika, gibt es genug Sonnenschein, um die gesamte Welt mit Solarenergie zu versorgen. Das wäre ein idealer Standort für E-Fuels-Produktionsanlagen.“

Also Elektromobilität plus E-Fuels?

Dr. Norbert Alt: „Ich fahre selbst ein Elektroauto und kenne die Angst jedes Fahrers, dass die Reichweite nicht ausreicht. Diese Angst verfliegt zunehmend mit wachsender Erfahrung und E-Auto fahren macht große Freude! Aber die Strecke Aachen München macht schon weniger Freude: Wenn es um lange Fahrten geht, quer durch Deutschland oder in den Urlaub, kommen Hybridlösungen ins Spiel. Für längere Strecken sind flüssige Kraftstoffe mit ihrer riesigen Energiedichte besonders gut geeignet. Ideal ist es, das Elektroauto für die Autobahnlangstrecke mit E-Fuels zu kombinieren, das heißt Elektroautos mit einem sogenannten ‚seriell-parallelen Hybrid‘ mit E-Fuel auszustatten, anstatt sehr großer Batterien, die teuer und schwer sind. Von den fossilen Kraftstoffen müssen wir dagegen komplett weg.“

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Über die FEV

FEV ist ein international führender, unabhängiger Dienstleister in der Fahrzeug- und Antriebsentwicklung für Hardware und Software. Das Kompetenzspektrum umfasst die Entwicklung und Erprobung innovativer Lösungen bis hin zur Serienreifen sowie angrenzenden Beratungsleistungen. Zum Leistungsumfang auf der Fahrzeugseite gehören die Auslegung von Karosserie und Fahrwerk, inklusive der Feinabstimmung der Gesamtfahrzeugattribute wie Fahrverhalten und NVH. Zudem werden bei FEV innovative Lichtsysteme und Lösungen zum autonomen Fahren sowie Connectivity entwickelt.

Bei der Elektrifizierung von Antrieben entstehen leistungsfähige Batteriesysteme, e-Maschinen und Inverter. Darüber hinaus werden hocheffiziente Otto- und Dieselmotoren, Getriebe, EDUs sowie Brennstoffzellensysteme entwickelt und unter Berücksichtigung der Homologation ins Fahrzeug integriert. Ein weiterer Schwerpunkt sind alternative Kraftstoffe.

Das Leistungsangebot wird abgerundet durch maßgeschneiderte Prüfstände und Messtechnik sowie Softwarelösungen, durch die wesentliche Arbeitsschritte der oben genannten Entwicklungen effizient von der Straße in den Prüfstand oder in die Simulation verlegt werden können.

Die FEV Gruppe wächst kontinuierlich und beschäftigt aktuell 6.700 hochqualifizierte Spezialisten in kundennahen Entwicklungszentren an mehr als 40 Standorten auf fünf Kontinenten.

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