Dimethylether – CO2-neutraler Fahrzeugbestand mit modernen Kraftstoffen

 

Die Kombination aus bekannten motorischen Antriebstechnologien und modernen Kraftstoffen könnte zu einer schnell umsetzbaren, CO2-neutralen und bezahlbaren Mobilität führen. Das meint Dr. Werner Willems, der bei Ford Technischer Spezialist für die Forschung an nachhaltigen Kraftstoffen ist. Er erläutert im Gespräch, mit welchen Kraftstoffen sich die Forschung bei Ford beschäftigt und warum er Dimethylether (DME) für eine geeignete Kraftstoffalternative hält.

Dimethylether-Technologie Werner Willems Ford Zitatkasten

Welche Rolle können Future Fuels aus Ihrer Sicht beim Klimaschutz spielen?

Werner Willems: Die Herausforderung der Defossilisierung des Transport- und Energiesektors ist immens. Wenn wir die Klimaziele 2030 plus erzielen wollen, dürfen wir uns nicht auf eine Technologie beschränken, sondern müssen möglichst technologieoffen an Lösungen arbeiten, die CO2-neutral, sauber und ökonomisch sinnvoll sind. Neben der Elektrifizierung der Antriebstechnologie können moderne Kraftstoffe zur Nachhaltigkeit beitragen. Wir sprechen von „renewable Fuels“ oder kurz „ReFuels“. Darunter verstehen wir Biokraftstoffe der 2. Generation, die aus Biomasseresten und anderen Abfällen produziert werden, sowie E-Kraftstoffe, die aus regenerativ erzeugtem Wasserstoff sowie CO2 aus Kohlenstoffkreisläufen hergestellt werden. Insbesondere die Möglichkeit, schon im Verkehr befindliche Fahrzeuge CO2-neutral zu stellen, beinhaltet das große Potenzial dieser Lösungen.

Sie beschäftigen sich im Ford Research & Innovation Center (RIC) mit alternativen Antrieben und Kraftstoffen. Welche sind das konkret?

Werner Willems: Wir beschäftigen uns einerseits mit konventionellen alternativen Kraftstoffen wie Wasserstoff, Erdgas als Kraftstoff (CNG) und Flüssiggas (LPG), aber auch neuartigen paraffinischen Kraftstoffen wie hydriertem Pflanzenöl (HVO) auf Basis von Rest- und Abfallstoffen oder sogenanntem E-Diesel. Ford hat zum Beispiel HVO für seine Transit-Fahrzeuge freigegeben. Wir glauben aber auch, dass andere Kraftstoffe, etwa auf Basis von Methanol, das Potenzial haben, schneller als erneuerbare Produkte am Markt zur Verfügung zu stehen. Dazu zählen beispielsweise Dimethylether (DME) oder Methanol-to-Gasoline (MtG). Methanol ist eben nicht nur ein Kraftstoff, sondern vor allem auch eine Plattformchemikalie, welche in der chemischen Industrie breit eingesetzt wird und sich mit begrenztem Aufwand erneuerbar aus biologischen oder P2X-Prozessen herstellen lässt.

Auf welcher dieser Kraftstoffalternativen liegt Ihr persönlicher Schwerpunkt?

Werner Willems: Ich arbeite an technischen Lösungen für den Einsatz von Dimethylether in Fahrzeugen. DME ist ein nicht toxisches Flüssiggas, das heutzutage vor allem als Treibmittel für Spraydosen oder auch Kältemittel eingesetzt wird. Die molekulare Struktur von DME ist recht einfach (CH3-O-CH3) , wodurch sich dieser Energieträger effizient herstellen lässt. DME zeigt interessanterweise ähnliche Verbrennungseigenschaften wie Dieselkraftstoff, verbrennt jedoch im Gegensatz dazu rußfrei bei gleichzeitiger Minderung der Stickoxide. Zusätzlich emittiert DME bei seiner Verbrennung im Motor etwa 10 Prozent weniger CO2, wenn man den Kraftstoffeigenschaften entsprechende leichte Anpassungen vornimmt.

Formel Dimethylether

Ist Dimethylether in ausreichenden Mengen verfügbar, und welche Rohstoffe werden dafür eingesetzt?

Werner Willems: DME wird bereits in großem Maßstab von Herstellern wie zum Beispiel Nouryon, den Grillo Werken oder Shell für die chemische Industrie zum Einsatz als Aerosol, Treib- und Kältemittel produziert. Hergestellt wird DME heutzutage größtenteils aus Methanol, welches momentan noch überwiegend aus fossilen Energieträgern wie Erdgas erzeugt wird. Die Produktionskapazitäten von erneuerbarem Methanol als Energieträger der Zukunft steigen jedoch seit mehreren Jahren stark an. E-Methanol als E-Fuel wird beispielsweise schon in signifikanten Mengen beispielsweise von Carbon Recycling International produziert. Ein erneuerbares DME ließe sich mit vorhandenen Produktionskapazitäten und bestehenden Lieferketten aus erneuerbarem Methanol unmittelbar herstellen.

Welchen Beitrag leistet Dimethylether zum Klimaschutz und zur Reduktion lokaler Schadstoffemissionen?

Werner Willems: Der Verbrennungsmotor der Zukunft muss vielfältigen Anforderungen genügen. Neben der Reduktion der CO2-Emissionen (Tank-to-Wheel und Well-to-Wheel) müssen die lokalen Schadstoffemissionen auf ein Mindestmaß abgesenkt werden, um die Luftqualität vor allem beim Einsatz in Umweltzonen nicht zu beeinträchtigen. DME könnte aufgrund seiner Verbrennungseigenschaften (rußfreie Verbrennung) einen wichtigen Beitrag insbesondere bei sogenannten ZIEVs („Zero-Impact-Emission Vehicles“) leisten, welche in der Forschung momentan intensiv diskutiert werden. Neben der Reduktion der Treibhausgase im Verkehr wird erneuerbares DME auch in anderen Sektoren, wie beispielsweise dem Wärmesektor, als Ergänzung zu erneuerbarem Propan (LPG) favorisiert. Entsprechende Ankündigungen von Unternehmen der LPG-Industrie gibt es bereits.

In welchen Motoren und Fahrzeugklassen kann Dimethylether eingesetzt werden?

Werner Willems: DME ist für dieselmotorische Anwendungen geeignet. Im Prinzip kann dieser Kraftstoff sowohl bei PKW als auch in Nutzfahrzeugen appliziert werden. Parallel zu der aktuell stattfindenden Elektrifizierung vor allem im Pkw-Segment ist ein Einsatz bei leichten bis schweren Nutzfahrzeugen sowie im Offroad-Bereich, etwa in landwirtschaftlichen Fahrzeugen, denkbar.

Welche Modifikationen an der Fahrzeugtechnik sind dafür erforderlich?

Werner Willems: DME-Fahrzeuge sind LPG-Fahrzeugen sehr ähnlich. Beide haben einen Drucktank bei etwa 7-10 bar und einen konventionellen Motor mit einem angepassten Einspritzsystem an Bord. Im Gegensatz zu LPG-Fahrzeugen, welche ja auf fremdgezündeten Benzinmotoren basieren, kommt beim DME-Fahrzeug ein mit einem angepassten Einspritz- und Abgassystem ausgerüsteter Dieselmotor zum Einsatz.

Dimethylether-Einspritzkomponenten Motorblock

Der Dieselmotor wurde mit DME-Einspritzkomponenten angepasst.

Bild: FVV – Charles Yunck

Können die DME-Fahrzeuge mit DME und Diesel fahren?

Werner Willems: Die im Rahmen der bisherigen Forschungen durchgeführten Untersuchungen zielten auf den Einsatz bei monovalenten Konzepten ab, also nur mit DME. Wir haben jedoch im BMWi-Projekt „XME-Diesel“ nachweisen können, dass ein Notlauf mit Dieselkraftstoff möglich ist. Ein Betrieb des durchoptimierten monovalenten Fahrzeugs mit Diesel im Regelbetrieb ist jedoch zurzeit nicht möglich. Bei DME-Blends, also Kraftstoffmischungen aus beispielsweise Diesel oder HVO mit DME, sieht dies jedoch möglicherweise anders aus. Hier untersuchen wir gerade neue Ansätze bei denen man Diesel-Fahrzeuge alternativ mit DME-/ Diesel-Blends beziehungsweise Diesel bivalent betreiben könnte.

Wie weit ist die Entwicklung fortgeschritten, und welche Aufgaben liegen noch vor Ihnen?

Werner Willems: DME-Fahrzeuge gibt es vor allem im Nutzfahrzeugbereich schon seit mehreren Jahren. Wir konnten im Rahmen unserer 2019 abgeschlossen Untersuchungen nachweisen, dass auch eine Anwendung im Pkw grundsätzlich möglich ist. Der technologische Reifegrad ist somit schon sehr hoch. Die große Herausforderung bei der Motorentwicklung ist meines Erachtens, die verbleibenden Schadstoffemissionen des Motors zu minimieren bei gleichzeitiger Anhebung der Effizienz

Kann DME in die bestehenden Kraftstoffnormen integriert werden?

Werner Willems: DME kann nicht in bestehende Kraftstoffnormen integriert werden, sondern erfordert eigene Standards. ISO-Standards und entsprechende Normen in Nordamerika existieren jedoch schon seit mehreren Jahren. Wir entwickeln in einem Arbeitskreis gerade eine deutsche Industrienorm in Zusammenarbeit mit dem FAM Hamburg.

Muss für DME eine eigene Tankstelleninfrastruktur aufgebaut werden?

Werner Willems: Eine DME-Infrastruktur ist noch nicht vorhanden, aber entsprechende Diskussionen laufen bereits. Insbesondere Firmen, die bereits im LPG-Geschäft tätig sind, zeigen großes Interesse. Im Prinzip könnte sogar die bestehende LPG-Betankungsinfrastruktur genutzt beziehungsweise angepasst werden.

Wann rechnen Sie mit einer Markteinführung von DME-Fahrzeugen?

Werner Willems: Das lässt sich momentan schwer abschätzen. Ein großes Interesse auch bei Firmen, die an Nachrüstlösungen für Bestandsfahrzeuge arbeiten, ist vorhanden. Momentan ist DME jedoch ein Kraftstoff, der im europäischen Typgenehmigungsverfahren noch nicht berücksichtigt wird. Internationale Verbände wie zum Beispiel die International DME Association (IDA) treiben jedoch die Einführung aktiv voran.

Worin genau liegen die Vorteile und der Nutzen für den Anwender beziehungsweise Kunden durch den Erfolg ihrer Arbeit?

Werner Willems: Das Potential der DME-Technologie liegt darin, dass man mit konventioneller bekannter Antriebstechnologie mehrere Herausforderungen wie Luftqualität und Treibhausgasminderung gleichzeitig meistern kann. Für den Kunden beziehungsweise Anwender ändert sich bis auf das Gewöhnen an einen neuen Kraftstoff wenig und er kann somit auf eine ihm bekannte Antriebstechnologie bei vergleichbaren Kosten zurückgreifen.

Welchen Antrieb hat Ihr aktuelles Auto, und welchen wird ihr nächstes Auto haben? Wie werden wir in zehn Jahren fahren, fliegen und heizen?

Werner Willems: Ich fahre zurzeit einen sauberen Diesel. Mein nächstes Fahrzeug wird aller Voraussicht nach ebenfalls ein Dieselfahrzeug sein. Der Verbrennungsmotor mit sauberen und erneuerbaren Kraftstoffen wird uns die nächsten Jahre weiterhin beschäftigen. Die Herausforderung der Treibhausgasminderung ist einfach zu groß als dass man sich lediglich auf eine Lösung fokussieren kann. Ich sehe auch für Bereiche wie Luftfahrt und Heizen eine weiterhin große Zukunft verbrennungsbasierter Technologien, jedoch auch hier aufbauend auf erneuerbaren Quellen wie zum Beispiel Power-to-X-basierten Technologien.

Forschung bei Ford

Ford Research & Advanced Engineering Europe arbeitet an zukünftigen Mobilitätslösungen und intelligenten Fahrzeugen in einem vernetzten Umfeld. Die meisten der rund 320 Mitarbeiter sitzen im 1995 gegründeten Ford Research and Innovation Center in Aachen. Weitere Teams befinden sich im Entwicklungszentrum in Köln sowie auf der hauseigenen Teststrecke in Lommel, Belgien. An allen drei Standorten entstehen Innovationen in Zusammenarbeit mit Universitäten, namhaften Instituten, Wettbewerbern und Zulieferern.

Die Projekte der europäischen Forschungsorganisation beschäftigen sich mit Fragestellungen zur Nachhaltigkeit und Gesundheit, neuen Generationen von Verbrennungsmotoren einschließlich zunehmender Elektrifizierung, komplexeren Bordnetzen und alternativen Kraftstoffen, Leichtbau, neuen Werkstoffen und Fertigungsprozessen sowie innovativen Fahrzeugkonzepten.

Von großer Bedeutung sind darüber hinaus die Themenfelder Fahrerassistenzsysteme und Automatisiertes Fahren, Fahrzeug-zu-X-Kommunikation, sowie innovative Lichtsysteme. Eine weitere Gruppe analysiert neue Geschäftsmodelle, Technologien und Services im Hinblick auf zukünftige Mobilitätsanforderungen.

Ford-Werke GmbH

Die Ford-Werke GmbH ist ein deutsches Automobilunternehmen mit Sitz in Köln. Das Unternehmen beschäftigt an den Standorten Köln und Saarlouis mehr als 22.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1925 wurden mehr als 47 Millionen Fahrzeuge produziert.

3 Kommentare

  1. Dipl.-Ing. Otto Zimmermann

    Guten Tag Herr Dr. Willems,
    habe die DME-Technologie gelesen. Auch die diversen Fragen enthielten nicht die Problematik, dass auch CO2-neutrale Kraftstoffe in allen luftatmenden Verbrennungsmaschinen NOx erzeugen. Ich hoffe, dass dann der SCR-Katalysator generell zum Einsatz kommt. Haben Sie Testerfahrungen z.B. mkt DME?

    Antworten
    • Werner Willems

      Ja, auch DME-betriebene Motoren erzeugen Stickoxide, wobei die Rohemissionen aufgrund des niedrigeren Temperaturniveaus (aufgrund größerer Verdampfungskühlung im Vergleich zu Diesel) deutlich (im WLTP etwa 30%) abgesenkt werden. Wir hoffen die NOx-Abgasnachbehandlung vereinfachen zu können. Wie das System dann konkret aussieht wird momentan untersucht.

      Antworten
  2. Ulrich Eggert

    Eine interessante Variante könnte auch die Kombination mit PHEV Plug-in Hybrid sein, wobei Kurz- und Mittelstrecken elektrisch und Langstrecken mit alternativen Kraftstoffen „konvetionell“ zurückgelegt werden. Das löst ohne grosse Batterie das lokale Emissionsproblem und die Kritik an bisherigen PHEV, hoher Emissionen, wenn die Batterie nicht geladen ist.
    Gibt es dazu Untersuchungen?

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert