„Die globale Energiewende wird auf der Wasserstoffwirtschaft basieren“

Prof. Dr. Armin Schnettler, Executive Vice President New Business Energy bei Siemens Energy und Präsident des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE), ist ein großer Befürworter von Wasserstoff. Wieso er in der entstehenden Wasserstoffwirtschaft die Basis für die globale Energiewende sieht, erläutert er im Interview.

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Die globale Energiewende und Klimaschutz erfordern eine gesamtwirtschaftliche Transformation. Wie stellt sich Ihr Unternehmen angesichts dieser Herausforderung auf?

Prof. Schnettler: Unter Energiewende werden üblicherweise der Einsatz erneuerbarer Energien sowie die Dekarbonisierung der elektrifizierten Welt verstanden. Heute machen elektrische Anwendungen rund 20 bis 25 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus. Dieser Anteil wird sich in Zukunft auf 40, vielleicht 45 Prozent erhöhen. Bleibt also mehr als die Hälfte des Energieverbrauchs, beispielsweise durch die Bereiche Mobilität und Industrie, der durch grüne Moleküle gedeckt werden muss, um sie zu dekarbonisieren. Das ist ein großer Markt und deshalb stellen wir mit der unabhängigen Company Siemens Energy diesen Bereich neben das klassische Geschäft.

Gemeint ist in erster Linie Wasserstoff. Welche Entwicklungs-Potenziale sehen Sie?

Prof. Schnettler: Wir stehen am Anfang einer Wasserstoffwirtschaft. Dieser Markt wird in den nächsten 30 Jahren rapide wachsen, denn der Bedarf an grünem Wasserstoff ist immens – einige sprechen von bis zu 500 Mio. Tonnen. Zuletzt hat sich die Elektrolyse-Leistung unseres Portfolios etwa alle fünf Jahre verzehnfacht. Heute stehen wir an der Schwelle zu Projekten mit 100 Megawatt elektrischer Leistung.

Kleinere Anlagen im 10 bis 20 Megawatt-Bereich wird es für dezentrale Anwendungen auch weiterhin geben, beispielsweise für Wasserstoff-Tankstellen. Für die Industrie, Raffinerien, Stahlwerke usw. benötigen wir Elektrolyse-Anlagen im Bereich von 200 bis 300 Megawatt und weltweit starten Überlegungen zu den ersten Gigawatt-Elektrolyseuren, wenn wir an den Export unserer Technologie nach Australien, Mittleren Osten, Nordwest Afrika und Südamerika denken. Das Hauptziel unseres Unternehmens ist es, verlässliche Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff zu akzeptablen Kosten und für alle Applikationen zur Verfügung zu stellen.

Warum bietet der Export der PtX-Technologie besondere Chancen?

Prof. Schnettler: Deutschland gilt mit seiner Spitzentechnologie in diesem Markt nach wie vor als weltweit führend. Gleichzeitig sind die Mengen, die wir hierzulande an Wind- und Sonnenstrom produzieren können, begrenzt und werden den enormen Bedarf an erneuerbaren Energien, wie auch grünem Wasserstoff, allein nicht decken können.

Unter den Fachleuten besteht kein Zweifel: Ohne Importe aus dem Ausland wird Deutschland den Einstieg in die Nutzung von grünem Wasserstoff in großem Maßstab nicht schaffen. Der Aufbau von internationalen Wasserstoffpartnerschaften ist daher zu Recht einer der Schwerpunkte der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS), die die Bunderegierung Anfang Juni verabschiedet hat. Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet jetzt mit Hochdruck daran, schon für 2021 Voraussetzungen zu schaffen, um in wind- und sonnenreichen Weltregionen in die Produktion von grünem Wasserstoff einzusteigen.

Genau damit starten wir mit unserem Projekt Haru Oni in der windreichen Region Patagonien in Chile. Wir wollen hier zusammen mit internationalen Partnern wie Porsche oder der chilenischen Firma AME synthetische Kraftstoffe aus Wind und Wasser herstellen.

Wie will die Bundesregierung internationale Wasserstoffpartnerschaften unterstützen?

Prof. Schnettler: Über das Konjunktur- und Zukunftspaket der Bundesregierung sollen insgesamt neun Milliarden Euro für die Umsetzung NWS vergeben werden. Davon sind zwei Milliarden für internationale Projekte in ausgewählten Partnerländern vorgesehen. Deutschland ist mit Chile seit 2019 über eine sogenannte bilaterale Energiepartnerschaft verbunden. Das Wirtschaftsministerium ermöglicht das chilenische Projekt mit einer Förderung von rund 8 Millionen Euro – als erstes Wasserstoff-Vorhaben, das im Rahmen der NWS gefördert wird. Bundeswirtschaftsminister Altmaier hat den Förderbescheid über 8,23 Millionen Euro Anfang Dezember an Siemens Energy übergeben.

Was steht Ihren Wachstumsplänen jetzt noch im Wege. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit grüner Wasserstoff sich durchsetzt?

Prof. Schnettler: Stand heute sind grüner Wasserstoff und seine Derivate nicht wettbewerbsfähig. Was wir letztlich brauchen sind entsprechend nachhaltige Märkte. Und auch da ist die Politik gefragt – zum Beispiel in Deutschland und Europa mit einer möglichst schnellen Umsetzung der Renewable Energy Directive – RED 2 mit Anrechnungsmöglichkeiten für den Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff. Das schafft letztendlich eine gesicherte Nachfrage und den „Offtaker“, wie wir es nennen. Dann werden große Projekte auch wirtschaftlich darstellbar und wir können diese endlich umsetzen. Wenn ich sage „Projekte in Deutschland“ meine ich einige, die dann in den 100 Megawatt-Bereichen liegen. Da ist die Ankündigung der Bundesregierung, die Produktion von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage auf Ökostrom zu befreien, natürlich ein weiterer wesentlicher Punkt.

Noch einmal zurück ins Ausland: Welche Lösungen verfolgt Ihr Unternehmen für den H2-Transport?

Prof. Schnettler: Für den Transport von Wasserstoff aus Übersee brauchen wir technisch, kostenmäßig und hinsichtlich der Klimabilanz sinnvolle Lösungen. Wir reden hier aber nicht nur über Wasserstoff, sondern insgesamt über grüne Moleküle, also Derivate von Wasserstoff wie Methanol oder grüne E-Fuels. Denn reiner Wasserstoff lässt sich nur relativ aufwändig transportieren im Vergleich zu Flüssigkeiten: Gasförmiger Wasserstoff hat eine geringere Energiedichte, das heißt, ich muss ihn komprimieren und zum Verflüssigen stark herunterkühlen. Oder ich stelle aus dem Wasserstoff eben lokal beispielsweise Ammoniak und Methanol her oder produziere grüne Kraftstoffe, die dann über die Weltmeere und mit der vorhandenen Infrastruktur zu den Verbrauchern kommen. Da sehe ich Europa als ganz, ganz wichtigen Markt mit Deutschland an der Spitze.

Wie stehen Sie zum Einsatz von grünem Wasserstoff und seinen Folgeprodukten, also alternativen Brenn- und Kraftstoffe, als Beitrag zur Erreichung der Klimaziele?

Prof. Schnettler: Der Mobilitätssektor wird neben dem industriellen Einsatz der erste größere Anwendungsfall für grünen Wasserstoff und seine Derivate sein. Zum einen ist es per se ein sehr großer Markt und zum anderen ist die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten hier sehr groß. Dies sind beides sehr wichtige Faktoren für einen Markthochlauf. Natürlich müssen auch wir als Industrieunternehmen unseren Beitrag leisten, indem wir die gesamten Gestehungskosten für grünen Wasserstoff und seine Folgeprodukte möglichst weit senken. Letztendlich sind wir aber alle gefordert: die Politik, wir als Industrie – und auch die Verbraucher, die mit ihrer Zahlungsbereitschaft großen Einfluss nehmen können. Das Ziel ist schließlich kein geringeres als die Rettung dieser Erde.

Zitat von Prof. Armin Schnettler (Siemens Energy) Globale Energiewende basiert auf Wasserstoffwirtschaft

1 Kommentar

  1. Rupert Rompel

    Die für die Gewinnung von Wasserstoff notwendige Elektrolyseleistung aus Wind und PV kann in Deutschland sozialverträglich nicht dargestellt werden. Warum müssen wir unsere Beschaffungsprobleme anderen Staaten wie z.B. Chile aufladen? Wenn wir schon „technologischer Spitzenreiter“ sein und bleiben wollen, wäre die Entwicklung einer grundlastfähigen Alternative wie z.B. der DFR eine tatsächliche Alternative. Stattdessen weichen dessen Erfinder jetzt in das technologieoffene Kanada aus. Vermutlich können wir dann in einigen Jahren diese Technologie teuer zurückkaufen. In der Zwischenzeit sind wir Weltmeister in der Optimierung einer volatilen Banaltechnik durch Dauersubvention geworden.

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