„Reform der Energisteuer erforderlich“

Um den Klimaschutz im Straßenverkehr entscheidend voranzubringen, ist eine grundlegende Reform der Energiesteuer auf nationaler und europäischer Ebene notwendig. Kraftstoffe sollten in Zukunft anhand ihrer Klimawirkung bewertet und ihre fossilen CO2-Emissionen zur Bemessungsgrundlage gemacht werden. Wie genau das aussehen kann, zeigt die Studie „Energiesteuer 2.0: Konzept für eine Reform der Energiesteuer im Dienst des Klimaschutzes“. Dazu fünf Fragen an einen der Studienautoren: Jens Perner, Director Frontier Economics.

 

thg-quote für kraftstoffe

Warum ist es an der Zeit für eine Reform der Energiesteuer?

Dr. Perner: Das Energiesteuersystem in Deutschland wie auf der europäischen Ebene muss in seiner Wirkung viel stärker auf die Klimaschutzziele ausgerichtet werden. In seiner aktuellen Form ist es nicht mehr zeitgemäß. Spätestens mit dem Pariser Klimaabkommen ist eine konsequente Ausrichtung der Energiepolitik auf den Klimaschutz erforderlich. Zudem gewinnen Innovationen auch im Bereich der alternativen Kraft- und Brennstoffe an Fahrt und sollten unbedingt für die Transformation nutzbar gemacht werden. Andernfalls besteht die Gefahr, die klimapolitischen Ziele zu verfehlen. Eine Reform der Energiesteuer würde die klimapolitischen Instrumente sehr gut ergänzen, die direkt oder indirekt den Absatz alternativer Energieträger beeinflussen und damit den Anstoß für deren Herstellung und Verwendung geben.

Was ist der wichtigste Beitrag/Effekt Ihres Energiesteuerkonzepts?

Dr. Perner: Bei einer differenzierenden Energiesteuer fallen nur geringe oder keine Steuern auf CO2-arme beziehungsweise CO2-neutrale Kraft- und Brennstoffe an. Verbesserte Rahmenbedingungen durch eine reformierte Energiesteuer können daher einen substanziellen Beitrag zum Markthochlauf alternativer Kraft- und Brennstoffe liefern. Dies würde auch einen wesentlichen Schritt zu mehr Technologieneutralität vor allem im Verkehrssektor nach sich ziehen, da die klimaneutralen Technologien jenseits der E-Mobilität eine Marktchance erhalten. Mit welchen klimaneutralen Antriebssystemen Fahrzeuge betrieben werden, bleibt dann letztendlich den Verbrauchern überlassen.

Die Verbraucher von Kraftstoffen sollen nach Ihrem Energiesteuerkonzept nicht zusätzlich belastet werden. Wie gelingt das?

Dr. Perner: Orientiert sich die Energiesteuer 2.0 an den heutigen Energiesteuersätzen für die verschiedenen Energieträger, bezahlen die privaten Verbraucher oder die Industrie nicht mehr für die Energie als heute. Konventioneller Diesel oder Benzin zum Beispiel werden in gleicher Höhe besteuert wie heute, hier ändert sich nichts. Klimaneutraler Diesel und klimaneutrales Benzin sind zwar in der Herstellung merklich teurer als die fossilen Pendants, doch werden diese steuerlich entlastet und vor allem dann im großen Stil eingesetzt, wenn sie an der Tankstelle genauso teuer oder günstiger sind als herkömmliches Benzin oder Diesel. Kostensenkungen durch effizientere Herstellungsverfahren sind hier mittel- bis langfristig das Ziel.

Anreiz zugunsten alternativer Kraftstoffe durch Umbau der Energiesteuer – Beispielrechnung

Energiesteuer 2.0 - Berechnungsbeispiel

Grafik: IWO/MWV

e40 Milliarden Euro betragen derzeit die Energiesteuereinnahmen: Muss der Staat bei Umsetzung Ihres Vorschlags für eine Reform der Energiesteuer nicht mit sinkenden Energiesteuereinnahmen rechnen?

Dr. Perner: Mittel- bis langfristig würden im vorliegenden Fall die Steuereinnahmen des Staates aufgrund des in jedem Fall erforderlichen Rückgangs des Einsatzes fossiler Kraft- und Brennstoffe sinken. Dies wäre allerdings nicht nur bei zunehmendem Einsatz alternativer Kraft- und Brennstoffe der Fall, sondern auch bei anderen klimapolitischen Maßnahmen, wie zum Beispiel im Verkehrssektor durch Änderung des Fahrverhaltens, die Verkehrsverlagerung auf andere Transportmittel (etwa die Schiene), durch die Erhöhung der Fahrzeugeffizienz oder den absehbar deutlichen Ausbau der Elektromobilität. Insofern muss der Staat ohnehin aktiv werden, zumal auch in anderen Kontexten die Frage nach der Notwendigkeit einer langfristigen Neuausrichtung der Staatsfinanzierung zu klären ist.

Welche Schritte sind jetzt nötig, um die Energiesteuer 2.0 auf den Weg zu bringen. Was würden Sie der Politik raten?

Dr. Perner: Ein nationaler Systemwechsel bei der Besteuerung der Energieträger wäre ein erster Schritt, ist aber auf Basis der derzeitigen Energiesteuerrichtlinie schwer umsetzbar und reicht aus unserer Sicht deshalb nicht aus. Erstrebenswert wäre eine große Lösung, also eine Öffnung des Energiesteuersystems auf Ebene der EU. Die für das Jahr 2021 geplante Überprüfung der EU-Energiesteuerrichtlinie bietet dafür die Gelegenheit. Mit dem erhöhten EU-Klimaschutzziel 2030 und den damit verbundenen Herausforderungen für die Mitgliedstaaten sind die Vorausetzungen für eine größere Anpassung der Energiesteuerrichtlinie gegeben. Das von uns skizzierte Reformmodell könnte dabei als eine Art Blaupause dienen. Die Mindestanforderung an die neue EU-Richtlinie muss aber sein, dass sie die nationale Umsetzung einer Energiebesteuerung auf Basis des fossilen Kohlenstoffgehalts zulässt.

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