Alternativer Kraftstoff aus Holzresten: neuer Prozess zur Herstellung von Ethanol entwickelt

Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben gemeinsam mit der Technischen Universität Lappeenranta-Lahti (LUT) in Finnland einen neuen, deutlich ertragreicheren Prozess zur Herstellung von Ethanol aus biogenen Reststoffen entwickelt. Mit der Verarbeitung von Abfall- und Reststoffen aus Forst- und Landwirtschaft wird eine zusätzliche regenerative Rohstoffquelle zur Herstellung alternativer Fuels erschlossen. Denn neben der Elektrifizierung können auch regenerative Kraftstoffe für mehr Klimaschutz im Verkehr sorgen.

Moderne Biofuels der zweiten Generation

Ethanol ist inzwischen eine etablierte Kraftstoffkomponente, die helfen kann, den Verkehrssektor zu dekarbonisieren und langfristig CO2 zu reduzieren. Hergestellt wird Ethanol in der Regel durch Fermentation von Zuckerarten aus stärkehaltigen Rohstoffen. Als Rohstoff dient unter anderem lignozellulosehaltige Biomasse wie Holz oder Stroh. Lignozellulose ist die Zellwand verholzter Pflanzen, wozu auch Stroh gehört. Damit die Rohstoffproduktion für alternative Kraftstoffe aber nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion tritt oder die intensive Landwirtschaft fördert, sollten als Biomassequelle möglichst Abfallstoffe verwendet werden.

Neues Verfahren: Ethanol aus Restholz und Wasserstoff

Daher haben die Forschenden der TUM am Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit gemeinsam mit der finnischen LUT ein neues Verfahren gesucht, in dem Abfälle aus der Forstwirtschaft möglichst nachhaltig und effizient zur Ethanolproduktion eingesetzt werden können. Ihre Lösung: Die Holzreste werden zunächst zu Synthesegas aufbereitet, zur Herstellung von synthetischem Methanol. In den nächsten Schritten wird das Methanol in Essigsäure umgewandelt und anschließend mittels Einleitung von Wasserstoff zu Ethanol umgesetzt.

Benötigt wird also neben der Biomasse auch Wasserstoff. Dieser soll durch die Zerlegung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff mithilfe von Strom – also per Wasserstoffelektrolyse – hergestellt werden.

„Der Gesamtprozess besteht überwiegend aus technisch ausgereiften Teilprozessen. Die Zusammensetzung der Prozessschritte und der finale Schritt, die Hydrierung von Essigsäure zur Ethanolgewinnung, sind allerdings neu“, sagt Daniel Klüh, Doktorand an der Professur für Regenerative Energiesysteme am TUM Campus Straubing.

Ausbeute höher als bei gängiger Fermentation

Die ersten Studienergebnissen zeigen, dass mit diesem neuen Verfahren die Ethanolausbeute aus Lignozellulose im Vergleich zu herkömmlichen fermentationsbasierten Prozessen auf Basis von Stroh oder Holz deutlich höher ist. Aus einer Tonne trockener Biomasse können mit dem entwickelten Prozess zwischen 1.350 und 1.410 Liter Ethanol hergestellt werden. Mit den fermentationsbasierten Prozessen können aus einer Tonne trockener Biomasse hingegen nur 200 bis 300 Liter Ethanol erzeugt werden.

Neuer Prozess sorgt für wettbewerbsfähige Kosten

Die hohe Produktivität dieser Technologie lässt trotz der komplexeren Anlagentechnik laut ersten Berechnungen der Forschenden den Schluss zu, dass dieses innovative Verfahren zur Ethanolherstellung zu Herstellkosten auf dem Niveau gängiger Technologie führt. Die niedrigsten Kosten für Ethanol betrugen in den Modellierungen 0,65 Euro pro Liter bei Biomassekosten von 20 Euro pro Megawattstunde, Stromkosten von 45 Euro pro Megawattstunde und einer Produktionsmenge von etwa 42 Kilotonnen Ethanol pro Jahr.

Im Vergleich zu den derzeitigen Herstellungsvarianten für Ethanol auf Basis von Lignozellulose sind die Kosten wettbewerbsfähig. „Der Ethanolpreis reagiert sehr empfindlich auf die Stromkosten und schwankt zwischen 0,56 und 0,74 Euro pro Liter“, sagt Kristian Melin, Assistant Professor an der finnischen LUT. Die Kalkulation der Herstellkosten basiert auf Annahmen für Rohstoffe und Energie. „Wir nutzen keine aktuellen Marktpreise. Die Berechnungsbasis unserer Preise für die chemischen Anlagenkomponenten ist das Jahr 2020“, ergänzt Klüh.

Unabhängigkeit von Zulieferern

Die Wissenschaftler beschäftigen sich aber nicht nur mit dem Herstellungsprozess, sondern auch mit dessen zukünftigen Standorten. Denn: Ein Teil der Studie widmet sich der variablen geografischen Anordnung der Produktionsstätten, wodurch eine gewisse Unabhängigkeit von Zulieferern erreicht werden könnte. „Länder mit einem hohen Restholzpotenzial und grünem Strom, zum Beispiel Finnland oder auch Kanada, können als Produzenten von Essigsäure dienen, die im letzten Prozessschritt hydriert wird, um Ethanol zu gewinnen“, sagt Prof. Tuomas Koiranen von der LUT.

„Länder wie Deutschland haben dafür in Zukunft hoffentlich einen grünen Strommix und können im eigenen Land die Hydrierung der Essigsäure zu Ethanol durchführen. Allerdings hat Deutschland nicht das Restholzpotential für eine großskalige Biomassevergasung zur Synthese von Essigsäure“, ergänzt Prof. Matthias Gaderer, Professor für Regenerative Energiesysteme an der TUM.

75 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu herkömmlichem Benzin

Mit dem Prozess kann unter Einsatz von grünem Strom zum Betrieb der Elektrolyse ein CO2 -armer Treibstoff hergestellt werden. Im Vergleich zu fossilem Benzin ist dann eine CO2-Reduktion von 75 Prozent möglich. Ethanol als Treibstoff ist bereits etabliert, so wird er bereits in E-10 Benzin genutzt, ebenso als ED95, ein Dieselersatz mit 95 Prozent Ethanol, für den Schwerlastverkehr.

Mit ihrer Prozesssimulation haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wettbewerbsfähigkeit des Prozesses gezeigt. „Zur Kommerzialisierung muss der Technologiereifegrad angehoben werden. Nächste Schritte wären beispielsweise weitere Katalysatorentwicklungen, ein Reaktordesign und der Bau sowie Betrieb einer Pilotanlage“, sagt Prof. Gaderer.

1 Kommentar

  1. Wolf Gehrisch

    In der Akademie des technologies in Paris untersuchen wir wie sich Projekte für Biokerosene entwickeln. In Frankreich haben wir schon einige Projekte näher durch Experten aus der Branche untersuchen können. Wir sind jetzt daran interessiert zu erfahren wie sich derartige Projekte in Deutschland entwickeln und gefördert werden. Könnten Sie mir mit Kontakten zu den entsprechenden Experten helfen?
    In der Hoffnung auf ein positives Feedback,
    Mit besten Grüssen
    Wolf Gehrisch

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