Markthochlauf von Wasserstoff: Neues Gutachten 

Damit der Markthochlauf von grünem Wasserstoff und dessen Folgeprodukten wie Power-to-Liquids gelingt, sollten Produktion und Einsatz anwendungsoffen gefördert werden. Die Priorisierung einzelner Sektoren wirkt sich auf einen schnellen Markthochlauf dagegen eher negativ aus. Zu diesem Urteil kommt das Kurz-Gutachten „Szenarien und Rahmenbedingungen für die Marktentwicklung von Wasserstoff und synthetischen Folgeprodukten“ von ETR: Economic Trends Research.

 

H2-Bubble mit Wirtschaftsgraph Markthochlauf von Wasserstoff

„Um den Markthochlauf neuer Technologien zu realisieren, ist aufgrund des anfangs noch höheren Preisniveaus eine Förderung prinzipiell notwendig“, erklärt Prof. Dr. Michael Bräuninger, der Hauptautor des Gutachtens. „Ein Ausschluss bestimmter Anwendungen von einer solchen Förderung führt in der Regel zum Nichteinsatz dieser Technologie.“ Für den angestrebten schnellen Markthochlauf von grünem Wasserstoff und seinen Folgeprodukten mit signifikanten CO2-Einsparungen sei es daher von herausragender Bedeutung, die Produktion und den Einsatz von Wasserstoff konsequent anwendungsoffen zu fördern.

Markthochlauf von Wasserstoff: Ausbau der Windenergie als Vorbild

Als Beispiel für den erfolgreichen Markthochlauf einer neuen Technologie nennt Bräuninger die Stromerzeugung durch Windkraft: „Bei der Windenergie haben hierzulande hohe und langfristig garantierte Preise zu einem schnellen Aufbau von Erzeugungskapazitäten geführt. Dieser Kapazitätsaufbau hat zu Lerneffekten geführt, die wiederum eine enorme Kostensenkung ermöglicht haben. Bei den Erzeugungskapazitäten von Wasserstoff und seinen synthetischen Folgeprodukten könnte in naher Zukunft ein ähnlicher Kapazitätsaufbau mit erheblichen Lerneffekten erfolgen.“

Zwei Szenarien für den Einsatz

Im Rahmen des Gutachtens, das vom Institut für Wärme und Mobilität (IWO) in Auftrag gegeben wurde, haben Bräuninger und seine Mitarbeiter in einem stilisierten Marktmodell zwei Szenarien unter die Lupe genommen: ein sogenanntes „Regulierungsszenario“ und ein „Marktszenario“:

  • Das erstgenannte Modell sieht vor, dass grüner Wasserstoff nur für bestimmte Anwendungen in den Markt gebracht wird und bestimmte Sektoren ganz vom Wasserstoffeinsatz abgeschottet werden.
  • Die zweite Variante geht von Förderungen für Investitionen in den Aufbau von Produktionskapazitäten für grünen Wasserstoff und einem nachfrageseitig anwendungsoffenen Einsatz aus.

„Für den angestrebten schnellen Markthochlauf von grünem Wasserstoff und seinen Folgeprodukten mit signifikanten CO2-Einsparungen ist es von herausragender Bedeutung, die Produktion und den Einsatz von Wasserstoff konsequent anwendungsoffen zu fördern.“

Prof. Dr. Michael Bräuninger

ETR: Economic Trends Research

Unterschiedliche Entwicklung des Markthochlaufs

Aus den jeweiligen Ansätzen ergeben sich spürbar abweichende Folgen für den Markthochlauf. Im „Regulierungsszenario“ findet ein langsamer, staatlich gesteuerter Anstieg der Nachfrage statt. „In der Folge steigt der Preis nur moderat und die ausgewählten Sektoren können zu günstigen Konditionen mit Wasserstoff versorgt werden. Damit liegen aber auch nur geringe Investitionsanreize vor, sodass lediglich ein langsamer Kapazitätsaufbau stattfindet“, erklärt Bräuninger dazu.

Im „Marktszenario“ wird der Markt dagegen rasch aufgebaut. In der Folge steigt der Preis zwar zuerst stärker an, was auf die in diesem Fall hohe Nachfrage bei begrenzten Erzeugungskapazitäten zurückzuführen ist. Dies bedingt jedoch hohe Investitionsanreize, sodass die Kapazitäten schnell ausgebaut werden. „Infolgedessen nimmt die Produktion zu, wodurch dann auch die Preise wieder zurückgehen“, so Bräuninger. Der Vorteil dieser Strategie: Kapazitäten werden schneller aufgebaut und es wird zügig eine größere Menge Wasserstoff hergestellt, sodass insgesamt mehr grüner Wasserstoff erzeugt und in den Markt gebracht werden kann. Fossile Kraft- und Brennstoffe könnten so rascher und wirksamer ersetzt werden.

Marktszenario bringt Wasserstoff und synthetische Folgeprodukte eher voran

Bräuninger und seine Mitautoren wägen die Vor- und Nachteile der beiden Szenarien anhand verschiedener Argumente ab. Das Urteil der Gutachter fällt unter dem Strich jedoch eindeutig aus: Aus ihrer Sicht ist das Marktszenario insgesamt überlegen – und daraus sollten sich auch Konsequenzen für die Weiterentwicklung der Nationalen Wasserstoffstrategie ergeben. In der stellt die Bundesregierung Maßnahmen dar, mit denen ein Markthochlauf von Wasserstoff erreicht werden soll. „Im Prinzip sind diese für alle Anwendungsbereiche offen gestaltet. Dies steht jedoch in einem gewissen Widerspruch zu den in der Wasserstoffstrategie konkret genannten Priorisierungen einzelner Anwendungsbereiche“, erklärt Bräuninger.

Schneller Markthochlauf erfordert anwendungsoffene Förderung

Sinnvoll und zielführend sei dagegen die anwendungsoffene Förderung. In diesem Sinne sollte beispielsweise auch der Einsatz von grünem Wasserstoff und seinen Folgeprodukten als eine Erfüllungsoption für ordnungsrechtliche Vorgaben in den Sektoren Wärme und Verkehr anerkannt werden. „Richtig ausgestaltet würde dies im Endeffekt die preisliche Attraktivität dieser klimaschonenden Alternativen gegenüber fossilen Kraft- und Brennstoffen deutlich erhöhen und damit dem Hochlauf von Wasserstofftechnologien einen enormen Schub verleihen.“

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