Studie: Nachhaltige Mobilität in Europa braucht alternative Fuels als Ergänzung zum Elektroantrieb

Eine Kombination aus Elektrifizierung des Straßenverkehrs und dem Einsatz alternativer Kraftstoffe sorgt für schnelleren Klimaschutz und hat zudem positive Effekte auf die europäische Wirtschaft, die Industrielandschaft und die Gesellschaft. So lautet eines der Kernergebnisse einer von FuelsEurope beauftragen Studie zu Bezahlbarkeit und Zugang zu individueller nachhaltiger Mobilität in Europa.

Studie nachhaltige Mobilität

Die Europäische Kommission betrachtet die CO2-Emissionsnormen für Personenkraftwagen und Kleintransporter als das wichtigste Instrument zur Verringerung der Treibhausgas (THG)-Emissionen im Straßenverkehr. Zurzeit setzt die Politik hierfür hauptsächlich auf Elektrifizierung der Antriebe. Die Studie „Low-Carbon Mobility with Renewable Fuels – Affordability and Accessibility of Passenger Cars for EU-Consumers“ zeigt jedoch: Die Auswirkungen auf die THG-Emissionen sind relativ bescheiden, wenn bis 2030 etwa 30 Millionen emissionsfreie Fahrzeuge in Europa eingesetzt werden. Das ist die Zahl an E-Fahrzeugen, die in der Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität zugrunde gelegt wird. Die Kombination aus effizienten Neufahrzeugen mit Verbrennungsmotor (Euro 6-Motoren) und erneuerbaren Kraftstoffen würde laut der Studie eine größere Wirkung haben. Mit den vorhandenen Instrumenten allein werde die angestrebte Treibhausgasreduzierung im Straßenverkehrssektor von minus 55 Prozent im Jahr 2030 nicht erreicht.

Daher wird eine widerstandsfähigere politische Strategie empfohlen, die sowohl die Verwendung von batterieelektrischen Fahrzeugen als auch den Einsatz von erneuerbaren Kraftstoffen fördert – und zwar nicht nur im Segment der schweren Nutzfahrzeuge, sondern vor allem auch im Bereich der Personenkraftwagen. Der Einsatz größerer Mengen erneuerbarer Kraftstoffe verspricht aus Sicht der Studienersteller mehr politischen Handlungsspielraum für das Erreichen der Klimaziele im Mobilitätssektor und insgesamt. Der Ausbau erneuerbarer Kraftstoffe wird also komplementär zur Elektrifizierung des Straßenpersonenverkehrs verstanden.

Nachhaltige Mobilität aus Sicht der Verbraucher

In der Studie geht es auch um die Akzeptanz von batterieelektrischen Fahrzeugen auf dem Pkw-Markt aus der Sicht der Verbraucher. Die Analyse auf Grundlage der Gesamtbetriebskosten zeigt, dass unter gleichen Bedingungen ein batterieelektrisches Fahrzeug und ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, das mit 100 Prozent erneuerbaren Kraftstoffen betrieben wird, dieselbe äquivalente Treibhausgas-Reduktion zu ähnlichen Kosten erbringen. Dabei spiele es keine Rolle, ob Neufahrzeuge oder gebrauchte Modelle miteinander verglichen werden. Entscheidend für die vergleichbare THG-Einsparung ist, dass beide Optionen in gleichem Maße subventioniert werden oder beide ohne ein Anreizsystem auskommen. In einem technologieneutralen klimapolitischen Umfeld würden also beide Optionen den gleichen Klimanutzen zu vergleichbaren Kosten bieten.

Gesellschaftliche Auswirkungen einer starken Elektrifizierung des Pkw-Verkehrs

Betrachtet wurden auch, wie sich eine forcierte Elektrifizierung von Pkw- und leichten Nutzfahrzeugen auf den Zugang zum eigenen Auto für EU-Verbraucher auswirken würde und welche gesellschaftlichen Folgen damit verbunden sind:

  • Die Analyse der Gesamtbetriebskosten hat gezeigt, dass neue batterieelektrische Fahrzeuge in allen untersuchten europäischen Mitgliedstaaten, die eine Kaufsubvention für E-Autos gewähren, Kostengleichheit mit vergleichbaren Modellen mit Verbrennungsmotor erreicht haben. Nur in einigen wenigen Mitgliedstaaten wurde die Kostenparität auch ohne Kaufsubventionen oder steuerliche Anreize für batterieelektrische Fahrzeuge erreicht.
  • Für die Mehrheit der privaten Verbraucher liegen die Anschaffungskosten für ein neues batterieelektrisches Fahrzeug jedoch außerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten.
  • In einer Reihe von Mitgliedstaaten führen die Anreize zur Förderung der Markteinführung von batterieelektrischen Fahrzeugen zu Einnahmeverlusten für den Staat. Eine Verlängerung der Förderung in dieser Höhe erscheint als nicht dauerhaft finanzierbar.
  • Die bisherigen und prognostizierten Absatzzahlen batterieelektrischer Neufahrzeuge zeigen, dass ihr Absatz bisher gering ist und sich in den kommenden neun Jahren deutlich steigern muss, um die politischen Ziele von 30 Millionen E-Autos bis 2030 zu erreichen.
  • Die meisten Pkw-Transaktionen finden auf dem Gebrauchtwagenmarkt statt und übersteigen die Zahl der Neuzulassungen. Auf dem deutschen Gebrauchtwagenmarkt beispielsweise waren im Jahr 2020 aber nur 0,3 Prozent der gesamten Gebrauchtwagenzulassungen batterieelektrische Fahrzeuge.
  • Im Allgemeinen übersteigt die Wachstumsrate der europäischen Pkw-Flotte die Zahl der Elektroauto-Verkäufe bis 2035. Die Gesamtzahl der Personenkraftwagen und Kleintransporter, die im Jahr 2020 bei etwa 260 Millionen lag, wird voraussichtlich auf insgesamt etwa 280 Millionen im Jahr 2030 ansteigen. Die Verbreitung neuer batterieelektrischer Fahrzeuge führt also eher zu einer Vergrößerung der Gesamtflotte, als dass sie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in der Flotte ersetzen. Nach 2035 werden E-Fahrzeuge beginnen, Verbrenner zu ersetzen. Allerdings steigt das Durchschnittsalter der Fahrzeuge. Dies könnte dazu führen, dass emissionsfreie Fahrzeuge wie E-Autos auch nach 2035 zur Gesamtflotte hinzukommen, anstatt Verbrennerfahrzeuge zu ersetzen.
  •  Die Analyse hat auch gezeigt, dass ein batterieelektrisches Fahrzeug für Fahrer in Vorstädten, die eine höhere jährliche Fahrleistung und Zugang zu einer Ladestation zu Hause haben, potenziell kosteneffizienter ist als für städtische Verbraucher, die weniger Kilometer fahren und auf öffentliche Ladestationen angewiesen sind, die oft teurer sind. Das Beispiel der Stadt Amsterdam zeigt außerdem, wie die derzeitige Kapazität des Stromnetzes den Ausbau neuer Ladeinfrastruktur begrenzt.

Erneuerbarer Kraftstoffe sollten politische Option sein

Die Europäische Kommission geht davon aus, dass eine vollständig elektrifizierte Pkw-Flotte erforderlich ist, um die Klimaneutralität bis 2050 effizient zu erreichen. In den zugrundeliegenden Szenarien wurde der potenzielle Beitrag erneuerbarer Kraftstoffe für die Erreichung der Klimaneutralität nicht berücksichtigt. Die Kommission zieht kohlenstoffarme Flüssigkraftstoffe bislang nur als Übergangslösung und für die schwer zu dekarbonisierenden Verkehrssektoren wie See- und Luftverkehr in Betracht.

Der Beitrag, den erneuerbare Kraftstoffe zur Verringerung der THG-Emissionen leisten können, erscheint daher nicht in den Modellrechnungen, auf deren Grundlage die politischen Optionen entwickelt wurden. Die Empfehlung der Studienersteller lautet daher: Die EU-Kommission sollte die Verwendung erneuerbare Kraftstoffe in das Portfolio der politischen Optionen aufnehmen und neue Bewertungen durchführen. Die vorliegende Analyse liefere den Beleg, dass die Option „100 Prozent erneuerbare Kraftstoffe“ bei ähnlichen Kosten für den Verbraucher die gleichen Auswirkungen auf die Verringerung der THG-Emissionen hätte wie die weitgehende Elektrifizierung des Straßenverkehrs. Im Zuge dessen sollte auch die Kosteneffizienz der verschiedenen Optionen aus Verbrauchersicht und in Bezug zur Umgestaltung des gesamten Energiesystems neu bewertet werden.

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