Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft nimmt Fahrt auf

In Deutschland beschäftigen sich bereits seit einiger Zeit diverse Forschungsprojekte im Labormaßstab und in kleineren Demonstrationsanlagen mit der Wasserstofferzeugung und der Verarbeitung zu Produkten wie synthetischen Energieträgern. Um die Wasserstoffwirtschaft weiter voranzutreiben, gibt es eine Reihe neuer, größerer Anlagenprojekte, die Unternehmenskonsortien gestartet haben oder in naher Zukunft starten wollen. Dazu zählen Elektrolyseure im zweistelligen Megawattbereich, Power-to-X-Anlagen und Wasserstoffnetze. 

Grafik Wasserstoffstategie

Bild: NOW GmbH

Es kommt Bewegung in die Weiterentwicklung von Wasserstofftechnologien und den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft in Deutschland wie auch in anderen Ländern. Neben den investitionswilligen Unternehmen, die an diesem Zukunftsmarkt unbedingt partizipieren wollen, haben auch die nationalen Wasserstoffstrategien Deutschlands und weiterer Länder sowie der EU Anteil an dieser Entwicklung. Sie beinhalten neben Aufbauzielen für Elektrolysekapazitäten und wichtigen regulatorischen Aspekten meist auch beträchtliche Fördermittel.

Die nationale Wasserstoffstrategie (NWS), verabschiedet im Juni 2020, zielt auf ein umfassendes Wasserstoffsystem aus Erzeugung, Transport und Speicherung. 5 Gigawatt Elektrolyseleistung sollen bis 2030 in Deutschland entstehen. Rund 9 Milliarden Euro an Fördergeldern will allein der Bund dafür aufwenden. Davon sind 7 Milliarden für inländische Wasserstoffprojekte und 2 Milliarden für Projekte im Ausland vorgesehen.

Wasserstoffstrategie: Leitprojekte sollen technologische Hürden abbauen

Insgesamt 700 Millionen Euro stellt das Bundesforschungsministerium (BMBF) bis 2025 für die drei Leitprojekte H2Giga, H2Mare und TransHyde zur Verfügung. Sie sind das Ergebnis des im Juni 2020 gestarteten Ideenwettbewerbs „Wasserstoffrepublik Deutschland“. Das Ziel: Technologische Hürden zügig abbauen. Neben erheblicher Wertschöpfung für die deutsche Wirtschaft biete grüner Wasserstoff auch die Möglichkeit, die Bereiche Industrie, Verkehr und Wärmeversorgung klimafreundlich zu gestalten. Über 230 Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft aus allen 16 Bundesländern beteiligen sich bereits an den Leitprojekten.

Die drei industriegeführten Konsortien wollen Lösungen zu zentralen Herausforderungen der grünen Wasserstoffwirtschaft schaffen:

  • Das Leitprojekt H2Giga unterstützt die serielle Großfertigung von leistungsfähigen, kostengünstigen Elektrolyseuren. In Serie hergestellte Elektrolyseure sind notwendig um grünen Wasserstoff wettbewerbsfähig zu machen.
  • Das Leitprojekt H2Mare entwickelt Möglichkeiten zur Herstellung von Wasserstoff und Wasserstofffolgeprodukten (Methan, Methanol, Ammoniak, Kraftstoff) mithilfe von Windanlagen ohne Netzanschluss direkt auf dem Meer, ebenfalls um die Kosten der Wasserstoff-Produktion zu minimieren.
  • Das Leitprojekt TransHyDE entwickelt und testet Möglichkeiten des Wasserstoff-Transports über kurze, mittlere und lange Distanzen, um aufzeigen zu können, wie eine effiziente Wasserstoffwirtschaft von der Herstellung, über den Transport bis hin zur Nutzung aussehen könnte.

Aus Sicht des Innovationsbeauftragten „Grüner Wasserstoff“ der Bundesregierung Dr. Stefan Kaufmann (MdB) ist die Aufbruchsstimmung bei grünem Wasserstoff weltweit enorm. „Der internationale Wettbewerb bei Forschung und Innovation zieht spürbar an. Hier gilt es, bei diesem Marathonlauf in der weltweiten Spitzengruppe zu bleiben. Diesen Führungsanspruch untermauern wir mit den Leitprojekten“, so Kaufmann.

Erste Förderbescheide für Projekte im Ausland

Beim Thema Erzeugung sieht die nationale Wasserstoffstrategie inländische Produktionskapazitäten von rund 10.000 MW bis 2040 vor. Weil damit der künftige Bedarf nicht gedeckt werden kann, braucht es Energiepartnerschaften mit Ländern mit günstigen Produktionsbedingungen für Ökostrom. Auch hierfür sieht die Bundesregierung Fördergelder in Milliardenhöhe vor. Erste Projekte in Chile, Saudi-Arabien und Tunesien haben bereits Förderbescheide erhalten.

Power-to-X-Projekt Haru Oni in Chile

Rund 8 Millionen Euro erhält beispielsweise das Power-to-X-Projekt „Haru Oni“ in Chile. An der windreichen Südküste wollen der Energieversorger AME, Siemens, ExxonMobil und weitere Partner aus Windstrom Wasserstoff gewinnen und diesen zu synthetischem Treibstoff weiterverarbeiten. Die Anlage soll ab 2022 zunächst etwa 130.000 Liter E-Fuels erzeugen, in zwei Schritten soll die Kapazität bis 2026 auf rund 550 Millionen Liter pro Jahr steigen. Parallel soll die installierte Windkraftleistung wachsen – von anfangs einem Windrad mit 3,4 Megawatt auf bis zu 700 Windräder mit insgesamt 2.500 Megawatt.

Der E-Fuel-Kraftstoff soll per Schiff nach Deutschland geliefert werden. „Das Schöne an Synfuels ist ja, dass die benötigten Lieferketten für Kraftstoffe bereits existieren“, so Siemens-Energy-Chef Christian Bruch in einer Pressekonferenz des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi). Siemens liefert mit den Windrädern und den PEM-Elektrolyseuren die wesentlichen Komponenten für das PtX-Projekt. ExxonMobil steuert die Methanol-to-Gasoline-Technologie bei, die aus dem Synthesegas flüssigen Kraftstoff macht. Der Autohersteller Porsche will in der ersten Phase den Kraftstoff für Motorsport und Fahrzeugerprobung abnehmen.

Auch der Mineralölgroßhändler Mabanaft will mittelfristig größere Mengen der in Chile hergestellten E-Fuels abnehmen und in Deutschland vertreiben. Dazu hat das Hamburger Unternehmen mit der AME-Tochter HIF (Highly Innovative Fuels) in einem Memorandum of Understanding (MOU) den Kauf und Verkauf von jährlich bis zu 500 Millionen Litern E-Fuels vereinbart. „Mabanaft möchte eines der ersten Unternehmen in Deutschland und Europa sein, das seine Kunden mit CO2-neutralen E-Fuels über sein umfangreiches Netzwerk von Tankstellen und Großhandelsstandorten versorgt“, so Jonathan Perkins, CEO von Mabanaft.

Wasserstoffwirtschaft braucht attraktive Preise

„In den kommenden zehn Jahren könnten synthetische Kraftstoffe für den breiten Markt interessant werden. Wichtig ist ein attraktiver Preis. Wenn die Produktion hochfährt wird die Herstellung der E-Fuels schrittweise günstiger.“, so Porsche-Chef Oliver Blume im Tagesspiegel Background-Interview.

Laut Bundeswirtschaftsministerium soll das Projekt „Haru Oni“ Erkenntnisse liefern, inwieweit grüner Wasserstoff und dessen Folgeprodukte sich global vermarkten lassen. Die Anlage könne einen Beitrag zum Aufbau verlässlicher Importkapazitäten für den neuen Rohstoff leisten. Zugleich biete das Projekt Gelegenheit, deutsche Unternehmen in diesem Zukunftsmarkt zu positionieren.

Grafik Wasserstoffwirtschaft

Element One in Saudi-Arabien

Das mit 1,5 Millionen Euro geförderte Power-to-X-Projekt Element One sieht den Bau einer 20 MW großen Wasserelektrolyseanlage durch den Industriekonzern ThyssenKrupp im Rahmen des Wasserstoff Innovations- und Entwicklungszentrums von Neom vor. Bei Neom handelt es sich um eine im Bau befindliche Zukunftsregion im Nordwesten Saudi-Arabiens.

Dort soll bis 2025 eine industrielle Produktionsanlage für grünen Wasserstoff und Ammoniak entstehen. Die Anlage soll eine Kapazität von 650 Tonnen Wasserstoff und 3.000 Tonnen Ammoniak pro Tag erreichen. Der Wasserstoff soll vor Ort Anwendung finden. Das produzierte Ammoniak soll international verschifft und nach Rückumwandlung zu Wasserstoff unter anderem im Verkehrssektor verwendet werden. Den nötigen Ökostrom sollen 4 Gigawatt Solar- und Windenergie liefern. An dem Projekt sind unter anderem das saudische Unternehmen ACWA Power und das US-amerikanische Unternehmen Air Products & Chemicals beteiligt.

In den Ländern, wo Erneuerbare im großen Maße zur Verfügung stehen, wolle das Unternehmen frühzeitig dabei sein. Denn Wasserstoff sei ein wichtiges Zukunftsthema für das Unternehmen, erklärte Martina Merz Vorstandsvorsitzende der Thyssenkrupp AG in einer BMWi-Pressekonferenz. Ihr Unternehmen stelle die notwendigen großskaligen Anlagen zur Produktion her, sei aber gleichzeitig auch großer Verbraucher von Wasserstoff.

Tunesien – Zuschuss für Wasserstoff-Demonstrationsanlagen

Ein weiterer Baustein im Kontext der Energiepartnerschaften ist Tunesien: Deutschland und Tunesien haben eine langfristige Partnerschaft im Bereich des grünen Wasserstoffs. Mit 25 Millionen Euro aus dem Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sollen unter anderem die Errichtung von Demonstrationsanlagen zur Herstellung und Weiterverarbeitung von grünem Wasserstoff in Tunesien bezuschusst werden. Die Standortvorteile des sonnen- und windreichen Tunesiens sollen genutzt werden, um mittels sauberen Stroms und Elektrolyse grünen Wasserstoff oder dessen Derivate herzustellen. Das für die Herstellung von Wasserstoff notwendige Wasser soll mit Hilfe von Meerwasserentsalzungsanlagen gewonnen werden.

Quelle: raffiniert 1|2021

1 Kommentar

  1. Josef Kaufmann

    Wasserstoff-Tankstellen. Wasserstoff in Eigenerzeugung mit sog. Power Stations in Hotelcty (mein Projekt) oder auch für Dörfer und Siedlungen. Problemlöser für Afrika. Südamerika Drittstaaten etc., etc., statt Rüstung. Wasserstoffbusse in Städten, Lastwägen weltweit, In Schiffen, auch Autos,
    Wenn dieser Stoff für das alles verwendet wird, wird dieser auch billig. (Ich bin kein Wissenschaftler aber lebenserfahrener Unternehmer im Hotelsektor (Grosshotellerie) gewesen. Ich weiß was Energie kostet.
    Muss auch politisch mehr gefördert werden wenn verantwortungsvolle Zukuntsszenarien geplant werden.
    Viele Grüsse , Josef Kaufmann

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