Klimaneutral Fliegen mit synthetischem Kerosin

In der Luftfahrt gilt der künftige Einsatz erneuerbarer flüssiger Kraftstoffe als unabdingbar. Das unterstreichen aktuelle Entwicklungen. So beauftragte das Bundesverkehrsministerium (BMVI) das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit der Planung einer Pilotanlage zur Produktion synthetischer Kraftstoffe im industriellen Maßstab. Zudem soll in Frankfurt-Höchst eine Power-to-Liquid (PtL)-Anlage bereits nächstes Jahr in Betrieb gehen und auch die Rheinland Raffinerie in Wesseling rüstet sich für die Zukunft. Zwischen Amsterdam und Madrid wurde der weltweit erste kommerzielle Passagierflug mit einer Beimischung von nachhaltig produziertem synthetischen Kerosin durchgeführt.

Flugzug_Sonnenaufgang synthetisches Kerosin

Bild: Lukas Gojda – stock.adobe.com

Über Future Fuels und ihre künftigen Einsatzgebiete wird viel diskutiert. Das lenkt von der Tatsache ab, dass in Fachkreisen Produktion und Markthochlauf alternativer Kraft- und Brennstoffe als No-regret-Maßnahme angesehen werden.

Alternatives Kerosin für die Luftfahrt

Einen Grund hierfür bietet die Luftfahrt, denn dort gibt es zum Einsatz von Future Fuels derzeit praktisch keine Alternative. „Mit dem Umstieg auf strombasiertes Kerosin können wir im Luftverkehr Millionen Tonnen an CO2-Emissionen einsparen. Dafür brauchen wir aber bis 2030 mehrere Millionen Tonnen an klimaneutralem Treibstoff“, so Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Um die alternativen flüssigen Energieträger wirtschaftlich produzieren und schneller zum Einsatz bringen zu können, habe sein Haus nun das DLR beauftragt. „Denn unser Ziel ist es, klimaneutral zu fliegen“, so Scheuer. Das Vorhaben ist Teil des neuen BMVI-Förderkonzepts für erneuerbare Kraftstoffe.

Unser Ziel ist es, klimaneutral zu fliegen.

Andreas Scheuer

Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur

Bild: BMVI

Pilotanlage als Entwicklungsplattform

Für die angedachte Pilotanlage hat das Verkehrsministerium auch schon einige Vorgaben bekanntgegeben:

  • So sollen dort insgesamt rund 10.000 Tonnen synthetische Kraftstoffe pro Jahr produziert werden.
  • Die Pilotanlage soll als übergreifende Entwicklungsplattform für Forschungseinrichtungen, mittelständische Unternehmen und der Industrie dazu dienen, Verfahrenstechniken weiterzuentwickeln und voranzutreiben.
  • Neben der Pilotanlage soll ein anwendungsorientiertes Forschungsmodul zudem die Weiterentwicklung von Technologiekomponenten ermöglichen.

Prof. Manfred Aigner, Projektleiter und Direktor des DLR-Instituts für Verbrennungstechnik, ist sich der damit einhergehenden Herausforderungen bewusst: „Wir kennen jede Komponente, um Synthetik-Kraftstoffe herzustellen. Für eine rentable Produktion müssen wir die einzelnen Elemente jedoch in eine industriefähige Prozesskette integrieren und auf einen großtechnischen Maßstab bringen.“

Höchst: 4,6 Millionen Liter synthetisches Kerosin pro Jahr

Ebenfalls beachtliche Dimensionen strebt derzeit ein Projekt im Industriepark Frankfurt-Höchst an, an dem Infraserv Höchst und die Unternehmen Ineratec und Caphenia beteiligt sind. Unweit des größten deutschen Flughafens plant Ineratec dort die Errichtung einer Power-to-Liquid Pionier-Anlage, die ab 2022 bis zu 4,6 Millionen Liter pro Jahr produzieren soll. Caphenia entwickelt zugleich ein innovatives Power-and-Biogas-to-Liquid-Verfahren (PBtL) zur Herstellung von erneuerbaren Kraftstoffen und Grundchemikalien.

Bereits Ende 2018 wurde im hessischen Koalitionsvertrag vereinbart, den Bau einer solchen Pilotanlage für synthetisches Kerosin voranzutreiben. „Der Industriepark Höchst ist ein hervorragender Standort für die Entwicklung nachhaltiger Technologien und bietet mit seiner Infrastruktur optimale Rahmenbedingungen für innovative Unternehmen“, berichtet Dr. Joachim Kreysing, Geschäftsführer von Infraserv Höchst, der Betreibergesellschaft des Industriestandorts.

Wesseling: Bio-PtL von Shell

In noch weitaus umfangreicherem Umfang sollen auch in der Rheinland Raffinerie in Wesseling bei Köln künftig nachhaltige Flugkraftstoffe hergestellt werden. Dazu will Shell dort eine erste kommerzielle Bio-PtL-Anlage zur Produktion von synthetisch hergestelltem Kerosin errichten. Darüber hinaus soll die Kapazität der PEM-Wasserstoff-Elektrolyse-Anlage, die Shell aktuell im Werkteil Wesseling zusammen mit ITM Power fertigstellt, von derzeit zehn Megawatt auf 100 Megawatt verzehnfacht werden.

„Die Rheinland Raffinerie ist Motor und Herzstück der Shell Aktivitäten in Deutschland und wird eine Schlüsselrolle spielen, um die Produkte bereitzustellen, die sich zusehends von unserem heutigen rohöldominierten Angebot unterscheiden und mehr und mehr zu regenerativen Lösungen wie synthetischen und Biokraftstoffen sowie grünem Wasserstoff wandeln werden“, erklärt dazu Raffineriedirektor Dr. Marco Richrath.

Linienflug mit Future Fuel

In der Praxis hat sich synthetisches Kerosin als Beimischung inzwischen in einem ersten kommerziellen Einsatz bereits bewährt. Im Januar flog eine Maschine der nationalen niederländischen Fluggesellschaft KLM von Amsterdam nach Madrid mit einem Kraftstoffmix. Dieser enthielt 500 Liter synthetisches Kerosin, das in einem Shell-Forschungszentrum aus CO2, Wasser und erneuerbarem Strom produziert wurde. „Dies ist ein wichtiger erster Schritt“, so Marjan van Loon, President and CEO Shell Netherlands. Nun sei es notwendig für Skalierung, Beschleunigung und wirtschaftliche Rentabilität zu sorgen.

Flugzeug landet in der Dämmerung synthetisches Kerosin

Bild: Tomohiko Shimizu – stock.adobe.com

Synthetisches Kerosin: Nicht nur PtL

Wie sich Produktion und Markteinführung nachhaltigen synthetischen Kerosins gestalten ließen, hat hierzulande auch kürzlich die Initiative aireg (Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany) in einer aktualisierten Roadmap thematisiert. Dabei solle nicht allein auf PtL gesetzt werden.

„Wichtig dabei ist”, so Prof. Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt, Mitglied im aireg Vorstand und Institutsleiter an der TU Hamburg, „die gesamte Breite nachhaltiger, erneuerbarer Rohstoffe, wie zum Beispiel organische Siedlungsabfälle, land- und forstwirtschaftliche Nebenprodukte sowie Altspeiseöle und -fette, neben der PtL-Route nutzbar zu machen.“ Zugleich sprechen sich die aireg-Mitglieder jedoch explizit auch dafür aus, zügig in den Aufbau von Produktionsanlagen für PtL-Kraftstoffe zu investieren.

Gutachten empfiehlt anwendungsoffenen Einsatz

Eine Herausforderung beim Einsatz von Future Fuels ist, voraussichtlich auch noch in den kommenden Jahren, deren begrenzte Verfügbarkeit. So wird deren Einsatz in der Luftfahrt dann doch wiederum zum Teil der politischen Diskussion. Denn eine Begrenzung des Einsatzes auf bestimmte Sektoren, dürfte sich auf einen schnellen Markthochlauf von PtL-Produkten eher negativ auswirken. Dies zeigt ein aktuelles Gutachten von ETR: Economic Trends Research. Vielmehr sei es besser, die Produktion und den Einsatz von grünem Wasserstoff und seinen Folgeprodukten konsequent anwendungsoffen zu fördern. So könnte die Produktion schneller angekurbelt und dadurch fossile Kraft- und Brennstoffe auch schneller ersetzt werden – nicht nur in der Luftfahrt, sondern auch in anderen Bereichen.

Zusammenfassung:

  • In der Luftfahrt sind Future Fuels unverzichtbar, ihre Einführung gilt als „no-regret-Maßnahme“
  • Anlagen zur Herstellung von synthetischem Kerosin sind in der Vorbereitung, ein erster kommerzieller Flug mit einem teilsynthetischen Treibstoff fand im Januar statt
  • Ein aktuelles Gutachten zeigt jedoch, dass beim Einsatz von Future Fuels kein einzelner Sektor priorisiert werden sollte

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