Grünes Methanol aus der Kläranlage

Grünes Methanol ist ein gefragter, klimaneutraler Grundstoff, der sowohl als Energieträger als auch zur Herstellung vieler Alltagsprodukte in der chemischen Industrie dient. Die Herstellung alternativer Produkte ist im Vergleich zu ihren fossilen Vorgängern teurer, daher sind gute Rahmenbedingungen erforderlich. Kläranlagen bieten durch mögliche energetische, stoffliche und strukturelle Synergien gute Voraussetzungen für eine effiziente Herstellung von grünem Methanol. Wie sie von Energieverbrauchern zu Energieproduzenten werden können, ist Gegenstand verschiedener Forschungsvorhaben.

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Regenerativ erzeugter Strom ist der von der Politik favorisierte Energieträger, wenn es um klimaschonende Mobilität geht. Das gilt vor allem bei Pkw und Nutzfahrzeugen im Regionalverkehr. Doch in der Luftfahrt, der Schifffahrt und dem Schwerlastverkehr auf langen Strecken werden auf absehbare Zeit noch flüssige Energieträger gebraucht, weil die Energiedichte von Batterien zu gering ist, um ausreichend Energie über große Entfernungen bereitzustellen. Vor allem für Schiffe und Flugzeuge gilt Methanol beziehungsweise auf grünem Methanol basierendes Kerosin als ein vielversprechender Energieträger, mit dem CO2-Emissionen drastisch reduziert werden können.

Methanol ist ein Alkohol, der einerseits direkt als Kraftstoff einsetzbar ist. Zudem kann Methanol durch einen weiteren technischen Verarbeitungsschritt, das Methanol-to-Gasoline-Verfahren (MtG), zu einem Kraftstoff aufbereitet werden, der mit den Benzin-Norm EN 228 kompatibel ist und daher in allen Fahrzeugen ohne technische Modifikationen eingesetzt werden kann. Ebenso ist im Methanol-to-Jet-Verfahren (MtJ) die Herstellung eines Flugkraftstoffs möglich. Andererseits spielt Methanol seit langem eine wichtige Rolle als Plattformchemikalie für die chemische Industrie. Daraus entstehen beispielsweise Gefrierschutz-, Enteisungs-, Wasch- und Desinfektionsmittel, aber auch Farbstoffe, Lösungsmittel sowie Kunststoffe und Kunstfasern. Aktuell wird Methanol nahezu vollständig aus den fossilen Rohstoffen Erdgas (65 %) und Kohle (33 %) hergestellt. Doch es gibt inzwischen auch technisch ausgereifte regenerative Produktionsverfahren auf der Basis von Biomasse (Technology Readiness Level (TRL) von 6-9) und regenerativ erzeugtem Strom (TRL 7-9), die sich an der Schwelle zur Industrialisierung und Kommerzialisierung befinden.

Obwohl bereits alle Bestandteile der Power-to-Liquid (PtL)-Technologie auf dem Markt verfügbar sind, besteht teilweise noch Entwicklungsbedarf beim Aufbau eines stabilen Gesamtprozesses. Hinzu kommt, dass auch wichtige Randbedingungen für die strombasierte Methanolherstellung erfüllt sein müssen. Dazu zählen etwa die Beschaffung von grünem Wasserstoff und CO2, aber auch Fragen der Nutzung beziehungsweise Vermarktung von im Produktionsprozess entstehenden Nebenprodukten und Energieströmen. Ihre Verwertung trägt zum wirtschaftlichen Gesamtergebnis einer Produktionsanlage und damit zur Wettbewerbsfähigkeit des grünen Methanols bei. Die effiziente Nutzung von energetischen, stofflichen und strukturellen Synergien ist nicht zuletzt auch eine Frage des gewählten Standorts für eine Anlage.

Klärwerke: vom Konsumenten zum Produzenten von Energie

Die Herstellung von Wasserstoff durch Wasserelektrolyse auf Klärwerken wird seit längerem erprobt. Der erste Elektrolyseur auf einem Klärwerk wurde bereits im Jahr 2002 in Barth (Mecklenburg-Vorpommern) installiert. Aktuell entstehen an Standorten von Kläranlagen Elektrolyseure im Megawatt-Maßstab. Interessant für den Klärwerkbetrieb war bisher vor allem die Eigennutzung von Sauerstoff als Nebenprodukt der Elektrolyse. Der Sauerstoff wurde abwasserwirtschaftlich beispielsweise in der biologischen Reinigungsstufe von Kläranlagen verwendet oder zur Eliminierung von Mikroschadstoffen. Der Wasserstoff wurde meist in das örtliche Gasnetz eingespeist, in Demonstrationsfahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb genutzt oder an den öffentlichen Nahverkehr abgegeben. Nach und nach richtete sich der Schwerpunkt in Forschungsprojekten auf das Potenzial von Klärwerken, nicht nur als Konsument, sondern auch als Produzent von Energie (z. B. Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen für Strom und Wärme aus Biomethan zu agieren, also Klärwerke auch in den Energiemarkt einzubinden. Einen konsequenten weiteren Schritt in diese Richtung stellt das aktuelle Forschungsprojekt E-BO(2)T dar, indem es bisherige PtX-Konzepte um die integrierte Verwendung von grünem CO2 aus dem Kläranlagen-Prozess für die Methanolsynthese anstrebt. Koordiniert wird es von FiW e. V. – Forschungsinstitut für Wasserwirtschaft und Klimazukunft an der RWTH Aachen.

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1. Konsortialtreffen mit Übergabe des Zuwendungsbescheides durch den Parlamentarischen Staatssekretär Oliver Luksic an die Emschergenossenschaft in der Kläranlage in Bottrop-Welheim. Durch die Eigenproduktion von grünem Wasserstoff und der hauseigenen Umwandlung des Wasserstoffs in Energie ist diese die erste energieautarke Großkläranlage Deutschlands. V.l.n.r: Dr. Wilfried Plum (Geschäftsführer OWI RWTH Aachen), Oliver Luksic (Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr), Dr. Frank Obenaus (Vorstand Wassermanagement und Technik der Emschergenossenschaft), Dr. Frank-Andreas Weber (FiW. e.V., Sektorkopplung Wasser-Energie-Verkehr) und Simon Pauli (Aspens GmbH).

Foto: Markus Matzel EGLV

Das Ziel von E-BO(2)T ist die Demonstration einer Technologie zur regenerativen Herstellung von Methanol, die dezentral sowie ökonomisch und ökologisch effizient realisiert werden soll. Die Konsortialpartner im Forschungsprojekt E-BO(2)T sehen ideale stoffliche und energetische Standortbedingungen für die Methanolherstellung in der Umgebung von Kläranlagen. Am Beispiel des von der Emschergenossenschaft betriebenen Klärwerks Bottrop, einem der größten in Deutschland, wollen die Partner einen Produktionsprozess für „grünes“ Methanol bestehend aus den Hauptkomponenten Wasserelektrolyseur, CO2-Abscheider und Methanolsyntheseeinheit im gekoppelten Betrieb in einer Demonstrationsanlage aufbauen. Die Anlage soll nach ihrer Fertigstellung 60 Kilogramm Methanol pro Stunde erzeugen.

Standortvorteile von Klärwerken für die Methanolherstellung

Kläranlagen bieten im Zusammenhang mit Prozessen zur Methanolherstellung sowohl mehrere stoffliche als auch umfangreiche energetische Integrationsmöglichkeiten, die viele Synergien ermöglichen. Diese können die Effizienz der Methanolsynthese und der Kläranlage bei optimaler Systemintegration erheblich erhöhen. Insgesamt handelt es sich um ein komplexes dynamisches System, das durch verbessertes Lastmanagement und Speicherkonzepte optimiert werden kann. Mehr oder weniger sind alle Produkte der anfallenden Prozesse vor Ort nutzbar – das CO2 und Reinmethan aus dem Klärgas, die in der Wasserelektrolyse anfallenden Produkte Wasserstoff und Sauerstoff einschließlich der Abwärme.

Klärgas als Alternative CO2-Quelle: Bei der Abwasserreinigung in Kläranlagen fallen Klärschlämme an, die Ausfaulen müssen. Dadurch entsteht Faulgas (Klärgas), das im Wesentlichen aus Methan und CO2 besteht. Dieses biogene Klärgas nutzen Klärwerke bereits seit den 1950er Jahren in betriebseigenen Blockheizkraftwerken (BHKW) zur Erzeugung von grünem Strom und Wärme, die beispielsweise für die Elektrolyse, die CO2-Abscheidung und die Methanolsynthese im Gesamtprozess genutzt werden können.

Der CO2-Anteil im Klärgas von 30 bis 50 % verhält sich nicht reaktiv (chemisch inert), verschlechtert aber den Wirkungsgrad bei der Verwertung in BHKW. Darum streben die E-BO(2)T-Partner die Abscheidung des CO2-Anteils aus dem Klärgas an, so dass es für die Methanolsynthese zur Verfügung steht. Da der CO2-Anteil im Klärgas relativ hoch ist, eröffnen sich für die Abscheidung im Vergleich zu Punktquellen energetisch günstigere und nachhaltige CO2-Abscheidetechnologien, wie zum Beispiel ein Membranverfahren. Da ein höherer CO2-Anteil in der Regel mit einem geringeren apparativen und energetischen Aufwand zur Abtrennung verbunden ist, besteht hier ein erhebliches Kosteneinsparungspotenzial gegenüber der CO2-Gewinnung aus anderen industriellen Punktquellen mit geringerem CO2-Anteil wie Biogas-BHKW (Abgas nach der Verbrennung) (8-10 Vol.-%) oder Müllverbrennungsanlagen (10-18 Vol.-%).

Höherer Wirkungsgrad der Kraft-Wärmekopplung: Gleichzeitig erhöht sich mit der Abscheidung des CO2 der Energiegehalt des Klärgases mit positiven Auswirkungen auf den Einsatz im BHKW.

Eigennutzung von Wasserstoff und Sauerstoff aus der Wasserelektrolyse: Die Herstellung von Wasserstoff mittels Elektrolyse von Wasser ist stromintensiv, aber bei der Verwendung von regenerativ erzeugtem Strom klimaneutral. Neben den KWK-Anlagen gibt es im Umfeld von Klärwerken zum Teil bestehende Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen sowie Flächen für die Installation weiterer erneuerbarer Energien, deren Überschussstrom für die Wasserelektrolyse und anderer Teile des Prozesses verwendbar ist. Bei der Elektrolyse entsteht neben Wasserstoff auch reiner Sauerstoff, der verfahrenstechnisch und energetisch in der Abwasserreinigung verwendet werden kann. Mögliche Optionen sind die Belüftung der biologischen Abwasserreinigung oder die Erzeugung von Ozon, das zur Elimination von Spurenstoffen oder zur Ozonierung von Blähschlamm dient.

Energetisch optimiertes Gesamtsystem: Darüber hinaus hat die Nutzung von Wärme und Abwärme einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Wirkungsgrad des Gesamtsystems und damit die Wirtschaftlichkeit der Anlage. Wärme wird in Klärwerken hauptsächlich bei der Erzeugung von Faulgas auf niedrigen Temperaturniveaus benötigt und in den betriebseigenen BHKW aus Klärgas erzeugt. Aufgrund von saisonalen Schwankungen der Außentemperatur kommt es im Sommer jedoch normalerweise zu einem Wärmeüberschuss und im Winter zu einem Wärmedefizit. In ähnlicher Weise gibt es in der Methanolsyntheseanlage Prozesse, die sowohl Wärme (Reaktionswärme des Methanolreaktors, Abwärme des Elektrolyseurs) erzeugen als auch verbrauchen (CO2-Abscheidung). Darum bedarf es auch eines Konzeptes zur Integration thermischer Prozesse mit unterschiedlichen Temperaturniveaus.

Das in der Methanolsynthese als Nebenprodukt anfallende Methan kann beispielsweise in bestehenden BHKW energetisch verwertet oder in Erdgasfahrzeugen als Kraftstoff genutzt werden.

Projektergebnisse machen Mut: Methanolherstellung bereits erfolgreich demonstriert

Die Herstellung von hochreinem Methanol aus Biogas konnte im vorausgegangenen Forschungsprojekt „Green Bee“ erstmals in der Konfiguration mit autothermer Reformierung und der Einbindung von Wasser- und Sauerstoff aus Elektrolyse erfolgreich demonstriert werden. Das FiW e. V. und die OWI Science for Fuels gGmbH haben auf der Basis einer bestehenden Methanolsyntheseanlage des FiW im Klärwerk Emschermündung in Dinslaken einen Demonstrator für einen optimierten Syntheseprozess von Biogas zu Methanol aufgebaut. Wasserstoff, CO2 und CO sind die zentralen Ausgangsstoffe für die Methanolsynthese.

In der Demonstrationsanlage wurde synthetisches Biogas in einem eigens entwickelten Biogas-zu-Methanol-Prozess zu Methanol weiterverarbeitet, der im Wesentlichen aus zwei Teilschritten besteht: Im ersten Schritt wurde das Biogas mit Wasser und Sauerstoff gemischt und durch Reformierung zu Synthesegas gewandelt. Dafür entwickelte das OWI ein neues Konzept zur autothermen Reformierung von Biogas. Das Synthesegas aus der Reformierung wurde mit Wasserstoff angereichert und im zweiten Schritt in einem vom FiW adaptierten Verfahren katalytisch zu Methanol umgewandelt. Der Wasserstoff kann regenerativ erzeugt werden und der dabei als Nebenprodukt entstehende Sauerstoff wurde zum Teil zur Optimierung der Reformierung genutzt. Die Demonstration dieses Verfahrenskonzeptes mit dem gekoppelten Betrieb des Reformers und der Methanolsynthese konnte in der Pilotanlage realisiert werden.

Im Vergleich zum Forschungsprojekt Wasserstoffstrategien auf Kläranlagen (WaStraK), einem Vorläuferprojekt von Green Bee, konnten die Partner den Prozess der Methanolsynthese erheblich verbessern. Die Methanolausbeute im Betrieb der Pilotanlage stieg von maximal 1,96 auf 16 molMethanol/(kgKat*h). Somit erhöhte sich die Produktionsleistung des Systems um das 8-fache. Einen wichtigen Beitrag zur erhöhten Ausbeute leistete eine neue Gasrezirkulationspumpe in der Methanolsyntheseanlage, die industrienahe Gasgeschwindigkeiten in den Reaktoren ermöglichte.
Im Nachfolgeprojekt E-BO(2)T basiert die Methanolsynthese aus Klärgas im Wesentlichen auf dem in Green Bee entwickelten Verfahren. Mit einem Unterschied: Da die Gesamtkonversion von Biogas zu Methanol aufgrund der zu geringen Aktivität des Katalysators in der Synthese noch nicht den Ansprüchen an eine kommerzielle Herstellung von Methanol genügte, soll in E-BO(2)T ein kommerzieller Cu/ZnO/Al2O3-Katalysator zum Einsatz kommen. Dieser kann Synthesegas bei Temperaturen von 250-300 °C und Drücken von 50-100 bar Wasserstoff und CO2 mit höheren Ausbeuten zu Rohmethanol umsetzen, das anschließend durch Rektifikation (Gegenstromdestillation) aufgereinigt wird.

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Der von OWI entwickelte autotherme Reformer beim Einbau in das Biogas-zu-Methanol-Gesamtsystem.

Foto: OWI

Fazit: Vielversprechende Perspektiven für die Methanolherstellung aus Klär- und Biogas

Die standortspezifischen Vorteile von Kläranlagen zum Betrieb von Elektrolyseuren und die Integration der Methanolsynthese sind vielversprechend. Zu den Vorteilen zählen eine flächendeckende Verbreitung von Kläranlagen, eine Standortlage ohne Einfluss auf Wohnbebauung, fachkundiges, technisch geschultes Personal im Bereich der Gasnutzung sowie ein hohes Niveau bei der Einhaltung von Betriebssicherheit und Überwachung.

Denkbar ist darüber hinaus auch der Einsatz in der Abfallwirtschaft auf Deponien, an thermischen Müllverwertungsanlagen oder an Biogasanlagen außerhalb der Wasserwirtschaft. Denn auch die Landwirtschaft betreibt seit langem eine gut erforschte Erzeugung von Biogas. Das Gas ist je nach Standort sowohl für die direkte Strom- und Wärmeerzeugung auf der Anlage selbst als auch die Vermarktung nutzbar. Allerdings ist die Verstromung von Biogas zukünftig schwierigen wirtschaftlichen Gegebenheiten ausgesetzt. Daher brauchen Betreiber von Biogasanlagen wirtschaftliche Alternativen, die eine hochwertige Nutzung von Klär- und Biogas ermöglichen. Ein Beispiel dafür könnte die Synthese von Methanol sein, das damit zum flüssigen Speichermedium für erneuerbare Gase wird. Methanol hat als Energieträger sowie als Grundprodukt für die chemische Industrie gute Chancen auf eine Vermarktung.

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