Politik zögert PtX-Durchbruch weiter hinaus

Zahlreiche Studien zur Energiewende empfehlen den Einsatz treibhausgasneutraler Kraft- und Brennstoffe als unverzichtbaren Teil der Lösung um die Klimaziele in den Bereichen Verkehr und Gebäude zu erreichen. Nur zögerlich erkennt auch die Politik die Notwendigkeit an: Im Klimaschutzprogramm 2030 ist vorgesehen, die Entwicklung klimaneutraler Kraftstoffe zu unterstützen und für eine großindustrielle Produktion die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen. Vielen Experten geht diese Absichtserklärung nicht weit genug.

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„Das Bekenntnis der Bundesregierung, die Entwicklung klimafreundlicher Kraftstoffe aus Biomasse zu unterstützen und für die Entwicklung und Produktion klimaneutraler Kraftstoffe, das heißt E-Fuels, die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Jetzt kommt es darauf an, mit konkreten Maßnahmen ein dauerhaft verlässliches Umfeld für die Markteinführung zu schaffen – gerade auch für Investoren“, betont IWO-Geschäftsführer Adrian Willig.

An konkreten Maßnahmen zur Stützung von synthetischen Energieträgern fehle es zudem in den vorliegenden Beschlüssen weitgehend – ganz im Gegensatz zu den vielfältigen und kostenträchtigen Förderungen elektrischer Anwendungen.

Politischer Flickenteppich

Bereits im Sommer dieses Jahres hatten einzelne Ministerien Vorstöße in Sachen Power-to-X unternommen:

Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat im Rahmen seines Ideenwettbewerbs „Reallabore der Energiewende“ 20 Projekte zur Förderung ausgewählt. Mit ihnen sollen zukunftsfähige Energietechnologien unter realen Bedingungen im industriellen Maßstab erprobt und Erkenntnisse für den geeigneten gesetzgeberischen Rahmen gewonnen werden. Innovationen, die technisch machbar sind, sollen schnell in den Markt gebracht und durch Größenvorteile wettbewerbsfähig gemacht werden. Die Reallabore werden für die Dauer von fünf Jahren mit insgesamt 100 Millionen Euro jährlich gefördert.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (li.) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier haben mit ihren Ministerien erste Schritte getan, um Power-to-X auf den Weg zu bringen. Fotos: Deutscher Bundestag

Im Fokus der ersten Ausschreibungsrunde des BMWi standen Projekte im Bereich Sektorkopplung und Wasserstofftechnologien. Wasserstoff ist unter anderem für die Mineralölindustrie von Bedeutung und soll künftig vorzugsweise mit erneuerbar erzeugtem Strom hergestellt werden. Ein gefördertes Reallabor ist das Projekt „Westküste 100“ in Schleswig-Holstein mit maßgeblicher Beteiligung der Raffinerie Heide. Das ebenfalls ausgewählte Projekt „GreenHydroChem“ will mit Großelektrolyseanlagen in Leuna und Bad Lauchstädt grünen Wasserstoff im industriellen Maßstab erzeugen und damit Unternehmen im Mitteldeutschen Chemiedreieck versorgen. Bis 2024 soll unter anderem eine 100-Megawatt-Elektrolyseanlage in Leuna gebaut werden. Als einer der Abnehmer des grünen Wasserstoffs ist die Total Raffinerie Mitteldeutschland vorgesehen. Der Wasserstoff könnte dort etwa zur Erzeugung von CO2-neutralem Methanol für die Chemieindustrie oder zur Kraftstoffbeimischung verwendet werden.

Fast zeitglich zur Bekanntgabe der geförderten Reallabore hat auch das Bundesumweltministerium (BMU) (an)erkannt, dass synthetische Kraft- und Brennstoffe auf Basis von Power-to-X-Technologien für die Energiewende der Industrie- und Exportnation Deutschland und für das Erreichen der Klimaschutzziele ein wichtiger Baustein sind.

Mit dem „Aktionsprogramm für den Einsatz von strombasierten Brennstoffen“ will Ministerin Svenja Schulze ihr Engagement für diese Zukunftstechnologie dokumentieren. „Power-to-X wird in Zukunft national und international einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, sagt die Umweltministerin Strombasierte Brennstoffe könnten in der energieintensiven Industrie sowie im Luft- und Seeverkehr eine Alternative darstellen, so Schulze.

Die geplanten Maßnahmen des BMU beinhalten u.a. einen „Stakeholder-Dialog PtX“ mit Vertretern aus Forschung, Wirtschaft, Umweltverbänden, Zivilgesellschaft und Politik. In der Kohleregion Lausitz sollen ein „PtX-Kompetenzzentrum“ eine PtX-Pilotanlage aufgebaut werden. In Brasilien und Marokko sollen Modellprojekte unterstützt werden, deren Ziel die Erprobung der nachhaltigen und großtechnischen Produktion und Nutzung von PtX ist. Für die stärkere Verzahnung der internationalen PtX-Aktivitäten will das BMU ein „PtX-Sekretariat“ in Berlin einrichten.

„Im Sinne einer Technologieoffenheit, die Wettbewerb und Innovationen anreizt, sollten nicht bestimmte Anwendungsfelder für PtX von Anfang an ausgeschlossen werden.“

Adrian Willig

Geschäftsführer, Institut für Wärme und Oeltechnik

Markthochlauf für PtX-Produkte

„Alles schön und gut“, findet Willig. „Eine elementare Voraussetzung ist aber bislang nicht geschaffen: Die gleichberechtigte Anerkennung alternativer Kraftstoffe in den entsprechenden Verordnungen und Gesetzen.“ Dazu zähle unter anderem die schnellstmögliche Anrechenbarkeit klimaneutraler Kraftstoffe bei der EU- Flottenregulierung der Fahrzeughersteller.
Denn: Durch einen erfolgreichen Markthochlauf im Verkehrssektor könnten die Vorteile von PtX-Produkten dann auch in anderen Sektoren, wie dem Gebäudebereich, zur Erreichung der Klimaziele eingesetzt werden. „Im Sinne einer Technologieoffenheit, die Wettbewerb und Innovationen anreizt, sollten nicht bestimmte Anwendungsfelder für PtX von Anfang an ausgeschlossen werden“, so Willig.

Zudem müsse die Erzeugung von Energieträgern mittels PtX anderen Technologien zur CO2-Vermeidung gleichgestellt werden. Ein Vorschlag der Power to X-Allianz für ein Markteinführungsprogramm zeigt auf, wie der Einsatz der neuen Kraft- und Brennstoffe gezielt auf den Weg gebracht werden kann. Der Kern: Für jede Tonne CO2 aus fossilen Energieträgern, die durch ein PtX-Produkt verdrängt wird, erhält der PtX-Anlagenbetreiber einen Innovationsbonus vom Staat. „Das Markteinführungsprogramm der Power to X-Allianz ermöglicht einen kosteneffizienten und zügigen Markthochlauf und bietet damit die Chance, Deutschland als einen weltweit führenden Anbieter für diese Technologien zu positionieren. Es verknüpft somit sinnvoll Klimaschutz und Industriepolitik“, betont Willig.

#eFuels - Brennstoff der Zukunft

Future Fuels, also Brennstoffe, die auf Basis erneuerbarer Energien synthetisch erzeugt werden, spielen aus Sicht vieler Experten eine wesentliche Rolle für die Energieversorgung der Zukunft. Sehen Sie in unserer Multimedia-Reportage (Pageflow), wie E-Fuels & Co. hergestellt werden können und wie der Stand der Forschung ist.

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