E-Trucks: Der lange Weg zum schnellen Megawatt-Laden

Die Hersteller von schweren Nutzfahrzeugen mit Elektroantrieb und von Ladeinfrastrukturen arbeiten mit Hochdruck an der Entwicklung von Systemen für das Megawatt-Laden (Megawatt Charging Systems, MCS). Aktuell vorgestellte Pilotprojekte zeigten, dass MCS technisch machbar ist. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Elektrifizierung von schweren Nutzfahrzeugen im Fernverkehr. Der Aufbau einer MCS-Infrastruktur steht aber noch vor vielen Herausforderungen.

Thermomanagement von E-Autos

Der Straßengüterverkehr wird nahezu komplett mit dieselbetriebenen Nutzfahrzeugen betrieben und hatte 2019 in der EU einen Anteil von gut 27 Prozent an den gesamten CO2-Emissionen im Straßenverkehr. Trotz Fortschritten in der Fahrzeugtechnik steigen die CO2-Emissionen im Straßenverkehr durch das wachsende Verkehrsaufkommen stetig an. Im Lkw-Bereich galten bisher vor allem Wasserstoff, paraffinische Dieselkraftstoffe (XTL-Diesel) und verflüssigtes Erdgas (Bio-LNG) als mögliche Alternativen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Elektrisch betriebene Lastkraftwagen (E-Lkw) werden aktuell aufgrund ihrer deutlich geringeren Batteriekapazität und der verfügbaren Ladetechnik im Regionalverkehr, aber nicht auf langen Strecken von mehr als rund 400 Kilometern, eingesetzt. Ein Teil der Forschung und Entwicklung im Bereich Elektromobilität beschäftigt sich mit batterieelektrischen Lösungen für einen klimaschonenderen Güterverkehr im Langstreckeneinsatz. Erfolgreich durchgeführte Pilotversuche zum Megawatt-Laden von E-Lkw zielen darauf ab, in naher Zukunft höhere Reichweiten von 800 und mehr als 1.000 Kilometern pro Tag möglich zu machen.

Ein Lastwagen kann in 4,5 Stunden bis zu 360 Kilometer fahren. Mit elektrischem Antrieb braucht er für diese Strecke ungefähr 400 Kilowattstunden (kWh) Strom, bei längeren Strecken muss nachgeladen werden. Da nach 4,5 Stunden Fahrzeit eine Pause von 45 Minuten gesetzlich vorgeschrieben ist, muss in dieser Zeit nachgeladen werden. Um die erforderliche Energie in weniger als einer Stunde aufzuladen, ist das derzeit für Pkw verwendete Combined Charging System (CCS) mit seiner Leistung von maximal 350 kW (High Power Charging, HPC) nicht in jedem Fahrszenario ausreichend. Aus diesem Grund sind einerseits Batterien mit einer höheren Kapazität erforderlich und andererseits eine Erhöhung der Ladeleistung, damit die Batterien mit großer Kapazität in vergleichbarer Zeit wie heute aufgeladen werden können oder sogar schneller.

Megawatt-Laden als Lösung für E-Lkw auf Langstrecken

Daher arbeiten die Hersteller von Ladeinfrastrukturen und E-Trucks an der Entwicklung von Megawatt-Ladesystemen (Megawatt Charging System, MCS) mit einer Ladeleistung von zirka 1 Megawatt (MW). An einer MCS-Ladestation mit einer Leistung von etwa 1 MW können die leistungsstarken Batterien von E-Lkw in etwa 30 Minuten von 10 auf 80 Prozent geladen werden. Diese Leistung dürfte nach heutigem Stand des Wissens ausreichend sein, um eine Ladelösung für Transportunternehmen darzustellen, deren Fahrzeuge im Langstreckenverkehr unterwegs sind. Da MCS technisch auf dem CCS-Standard basiert, kann das CCS-Laden weiterhin genutzt werden, wenn E-Lkw beispielsweise über Nacht auf dem Betriebshof langsamer geladen werden. Mit einer Kombination aus MCS und CCS könnten zukünftig auch Elektro-Reisebusse geladen werden. Doch MCS eignet sich prinzipiell auch für noch höhere Leistungen wie sie beispielsweise für Schiffe wie etwa Fähren oder auch Kleinflugzeuge mit elektrischen Antrieben geplant sind. Mit MCS können bis zu 3,75 MW (mit Niederspannung bis zu 1.250 V bei einem maximalen Ladestrom von 3000 A) aufgeladen werden.

Damit das Laden von Elektrofahrzeugen verbreitet und nach einem einheitlichen Standard möglich ist, haben sich im Bereich Elektromobilität aktive Unternehmen innerhalb der Charging Interface Initiative e.V. (CharIN) zusammengeschlossen, um das CCS-Ladesystem (Combined Charging System) zu fördern und zu verbreiten. Innerhalb des CharIN-Konsortiums hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit dem Megawatt-Laden beschäftigt. Sie arbeitet daran, einen einheitlichen Standard mit einer neuen Steckergeometrie für MCS zu verabschieden, der voraussichtlich Ende 2024 oder im Laufe des Jahres 2025 kommen soll.

Erfolgreiche Pilotprojekte zum Megawatt-Laden

Dass das Megawatt-Laden mit MCS technisch funktioniert, konnte in Pilotversuchen 2023 und Anfang 2024 erfolgreich demonstriert werden. Im April 2024 hat die Entwicklungsabteilung von Mercedes-Benz Trucks zum ersten Mal einen Prototyp des schweren Nutzfahrzeugs eActros 600 mit einer Leistung von einem Megawatt an einer Ladesäule erfolgreich geladen. Der Pilotversuch fand im Entwicklungs- und Versuchszentrum des Unternehmens in Wörth am Rhein statt. Bei dem Versuch in Zusammenarbeit mit Siemens Smart Infrastructure kam der Prototyp einer MCS-Ladesäule des Unternehmens zum Einsatz. Im nächsten Schritt beschäftigt sich das Entwicklungsteam mit der Weiterentwicklung von Prototypkomponenten hin zur Serienreife. Mercedes-Benz plant den Start der Serienproduktion des eActros 600 Ende 2024. Eine neue, besonders effiziente elektrische Antriebsachse aus der Entwicklung des Unternehmens und eine Batteriekapazität von mehr als 600 Kilowattstunden – daher die Typbezeichnung 600 – ermöglichen nach Herstellerangaben unter bestimmten Bedingungen eine Reichweite des eActros 600 von 500 Kilometern ohne Zwischenladen. Unter der Voraussetzung, dass das Zwischenladen mit 1 MW möglich ist, könnte der Elektro-Lkw täglich mehr als 1.000 Kilometer zurücklegen.

Zuvor haben MAN Truck & Bus und ABB E-mobility bereits im März 2024 im MAN-Entwicklungszentrum in München einen Lkw an einer MCS-Ladesäule mit mehr als 700 kW und 1.000 A erfolgreich geladen. Im Mai 2023 hatte ABB E-mobility zusammen mit Scania in der Schweiz in einem Pilotversuch sein MCS-Ladesystem getestet. Eine Leistung von 700 kW gilt in der Branche bereits als Megawatt-Laden.

MCS erfordert eine zweite Ladeinfrastruktur

Schätzungsweise rund 40 Prozent aller Lkw sind im Langstreckenverkehr unterwegs. Damit diese Dieselfahrzeuge künftig durch E-Lkw ersetzt werden können, muss zusätzlich zu dem noch im Aufbau befindlichen Ladenetz für Pkw eine weitere bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur für das Laden von E-Lkw errichtet und in die bestehenden Stromnetze integriert werden. Besonders an Fernverkehrsstraßen braucht es einen noch genauer zu definierenden Mix aus CCS und MCS, um den E-Lkw eine sinnvolle Ladeinfrastruktur zu bieten. Diese Ladepunkte sollten bestenfalls nicht auf bestehenden Parklfächen eingerichtet werden, um den ohnehin schon hohen Parkdruck nicht weiter zu verschlimmern. Besonders Autohöfe eignen sich gut: es ist im Gegensatz zu Rastanlagen auf beiden Seiten der Autobahn nur ein Netzanschluss erforderlich.

Unterstützung dafür kommt von der Europäischen Union (EU). Sie hat in der Verordnung (EU) 2023/1804 über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (Regulation (EU) 2023/1804 of the European Parliament and of the Council of 13 September 2023 on the deployment of alternative fuels infrastructure – AFIR) Mindestanforderungen und Fristen für den Ausbau öffentlicher Schnellladenetze in den EU-Mitgliedstaaten festgelegt. So müssen zum Beispiel in Deutschland bis zum Jahr 2025 insgesamt 32 Lkw-Ladehubs entstehen, bis zum Jahr 2027 schon 104 und bis zum Jahr 2030 schließlich 314. Die daraus resultierende Ladeleistung für Lastkraftwagen erhöht sich von ca. 66 Megawatt im Jahr 2025 auf 918 Megawatt 2030. Die EU-Verordnung schreibt auch vor, dass batteriebetriebene Lkw alle 60 bis 100 Kilometer auf den wichtigsten deutschen Autobahnen eine Schnellladeinfrastruktur haben müssen.

Der Aufbau einer vollkommen neuen MCS-Infrastruktur ist aktuell noch mit vielen offenen Fragen und Herausforderungen verbunden. Dabei sind viele komplexe Zusammenhänge zu berücksichtigen und zahlreiche beteiligte Partner zu koordinieren. Der Aufbau von MCS-Ladepunkten wird im ersten Schritt entlang der wichtigen Langstreckenachsen angestrebt. Wie das funktionieren kann, ist derzeit Gegenstand von Untersuchungen im Forschungsprojekt „HoLa – Hochleistungsladen im Lkw-Fernverkehr“. Die Forschenden empfehlen den Aufbau eines Startnetzwerks für Deutschland mit etwa 142 Ladestandorten und bis 2030 den Aufbau eines öffentlichen Schnellladenetzwerks mit mindestens 1.000 MCS-Ladepunkten. Bei schneller Marktdurchdringung von E-Lkw im Fernverkehr und längeren Standzeiten von 45 Minuten erachten sie eher 2.000 MCS-Ladepunkte bis 2030 für erforderlich. Doch auch in den Depots von Logistikunternehmen werden Ladepunkte gebraucht, die im Gesamtzusammenhang eines Ladenetzes zu berücksichtigen sind. Wie der Ausbau praktisch funktionieren kann, soll im Forschungsprojekt durch den Aufbau von fünf Ladestandorten entlang der A2 zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet, von denen drei an Autobahnen und zwei an Logistikzentren liegen sollen, demonstriert werden.

Parallel zu diesem Forschungsprojekt haben Anfang Juli 2024 die Bundesministerien für Digitales und Verkehr sowie für Wirtschaft und Klimaschutz den offiziellen Start für den Aufbau eines Lkw-Schnellladenetztes verkündet. Basierend auf dem Masterladeplan Ladeinfrastruktur II soll das Netz entlang der Bundesautobahnen in Deutschland an etwa 350 ausgewählten bewirtschafteten und unbewirtschafteten Standorten mit insgesamt 4.200 MCS- und CCS-Ladepunkte entstehen. Die Veröffentlichung der Ausschreibung an den rund 130 unbewirtschafteten Rastanlagen ist für den Spätsommer 2024 geplant. Die Bestellung der Netzanschlüsse bei den Energieversorgern, die einen ersten fundamentalen Umsetzungsschritt darstellt, ist durch die Autobahn GmbH des Bundes bereits verbindlich erfolgt.

Thermomanagement von E-Autos

Foto: Daimler Truck AG

Herausforderung Ladeinfrastruktur

Die Infrastruktur hinter den sichtbaren Ladepunkten, die Netzanschlüsse und der Flächenbedarf, beispielsweise an Autobahnrasthöfen, Parkplätzen oder Autohöfen, sind von entscheidender Bedeutung für das Laden von E-Lkw. Die Infrastruktur für MCS und die damit verbundenen Stellplätze brauchen viel Platz, der auf Raststätten aber knapp ist. Neben der Umwidmung bestehender dürfte daher in der Regel auch die Ausweisung neuer Flächen erforderlich werden, damit es nicht zu einer weiteren Verknappung ohnehin stark frequentierter Parkflächen kommt. Bei der Ausweitung von Flächen müssen Vereinbarungen mit den angrenzenden Grundstückseigentümern getroffen werden.

Lkw-Ladestationen benötigen für ihren Betrieb beträchtliche Anschlussleistungen und könnten künftig normalerweise mit der Mittelspannung verbunden sein, doch es wird auch Standorte geben, die Hochspannung benötigen. Die Anträge und Anschlussbedingungen, die erforderlich sind, variieren je nach Netzbetreiber, was den Prozess der Bereitstellung erschwert. Nur Eigentümer der Fläche, welche oft über keine energiewirtschaftliche Expertise verfügen, können einen Netzanschlussantrag einreichen. Da die Koordinaten vieler Umspannwerke jedoch nicht öffentlich zugänglich sind, muss bei der Standortsuche immer auch der lokale Netzbetreiber nach der verfügbaren Kapazität gefragt werden. Je größer die gewünschte Anschlussleistung ist, desto länger sind normalerweise die Vorlaufzeiten für den Netzanschluss. Das kann je nach den örtlichen Gegebenheiten und der erforderlichen Spannungsebene von einigen Monaten bis hin zu fünf bis zehn Jahren bei Hochspannungsanschlüssen dauern.

Akzeptanz durch Transportunternehmen und Fahrer erforderlich

Der Umstieg von diesel- auf elektrisch betriebene Lkw bringt sowohl für die Transportunternehmen als auch die Lkw-Fahrerin und den Fahrer Veränderungen mit sich, denn das Laden funktioniert nach anderen Regeln. Während ein Diesel-Lkw je nach Fahrprofil erst nach fünf Tagen getankt werden muss, stehen E-Lkw jeden Tag mindestens einmal an einer Ladesäule. Es gibt kaum noch Freiheiten bei der Wahl des Pausenortes, weil dieser sich nach der Verfügbarkeit der Ladepunkte richtet. Die Akzeptanz für den Einsatz von E-Lkw entsteht nur, wenn eine zuverlässige Ladeinfrastruktur überall dort steht, wo sie gebraucht wird, und den spezifischen Bedürfnissen der Unternehmen und Fahrerinnen und Fahrer entspricht. Das betrifft Aspekte wie den Ladevorgang, die Routenplanung, die Reservierung und den Komfort rund um das Laden.

Der Ladevorgang: Auf Fernstrecken müssen bei nächtlichen Ruhepausen (gesetzlich vorgeschrieben sind neun Stunden) auch CCS-Ladepunkte mit Ladeleistungen von etwa 100 kW je Ladepunkt zur Verfügung stehen. CCS ist für E-Lkw ebenso wichtig wie MCS für das schnelle Zwischenladen. Die versprochene Ladeleistung muss mit der tatsächlichen Ladeleistung übereinstimmen.

Die Routenplanung: Für die Logistik ist ergänzend zur modernen Routenplanung ein Planungssystem erforderlich, das neue durch E-Lkw entstehende Einflussgrößen berücksichtigt. Dazu zählen beispielsweise Batteriekapazität, Ladeleistung, freie Ladepunkte, Außentemperatur, Reservierungsfenster für Ladepunkte, Zuladung, etc. Es muss leicht verständlich und handhabbar sein und auf Störungen im Betriebsablauf wie beispielsweise Staus reagieren können.

Die Reservierung: Um einen reibungslosen Ablauf des Zwischenladens an den Ladepunkten zu ermöglichen, muss es Reservierungssysteme für MCS geben.

Rund ums Laden: Die Authentifizierung vor dem Laden muss durch Ladekarten oder Funktionen wie Plug & Charge erfolgen, so dass der Vorgang reibungslos und ohne Abrechnung über den Fahrer erfolgt. Die Bedienung muss intuitiv sein und dem Fahrer über das Onboard-System relevante Details des Ladevorgangs anzeigen.

Nadelöhr MCS-Infrastruktur

Während die Technik für das Megawatt-Laden voraussichtlich Ende 2024 Anfang 2025 je nach Hersteller zur Serienreife gelangen dürfte, steht der Aufbau einer MCS-Ladeinfrastruktur noch ganz am Anfang. Quasi aus dem Stand in möglichst kurzer Zeit ein zweites Ladenetz für das schnelle Laden von E-Lkw aufzubauen, ist eine Herausforderung, für die noch eine ganze Reihe von Hemmnissen zu überwinden sind. Dazu zählen zum Beispiel fehlende Datengrundlagen, die langwierige Bereitstellung von Netzanschlüssen, die Festlegung geeigneter Standorte und Nutzung der knappen Flächen sowie die Herstellung von Akzeptanz seitens der Unternehmen (Einbindung in bestehende Logistik-Prozesse) und der Fahrerinnen und Fahrer (Komforterwartungen sowie Vermeidung von Wartezeiten und Ladedefiziten). Nicht zuletzt wird der Erfolg des Megawatt-Ladens auch durch die Wirtschaftlichkeit der Ladehubs im Betrieb (Höhe der Auslastung) maßgeblich beeinflusst.

 

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