Straßengüterverkehr: Welche Energie bewegt die Massen?

Gerade auf den deutschen Autobahnen ist es nicht zu übersehen: Beim Warentransport kommt dem Straßengüterverkehr eine überragende Stellung zu. Lkw auf der Langstrecke spielen dabei die Hauptrolle, allerdings auch bei den CO2-Emissionen. Hier sind klimaschonende Lösungen gefragt.

Thermomanagement von E-Autos

Rund drei Viertel des innereuropäischen Warentransports werden über den Straßenverkehr abgewickelt, Tendenz: steigend. Die Verlagerung auf andere Verkehrsträger wie Schiffe oder Bahnen erscheint zwar sinnvoll; ihr sind jedoch enge Grenzen gesetzt. Beim Transportaufkommen im Güterverkehr übertrifft hierzulande der Straßengüterverkehr die Bahn derzeit um fast das Zehnfache (laut Bundesamt für Güterverkehr rd. 3690 Mio. gegenüber rd. 380 Mio. Tonnen im Jahr 2021). Zudem soll auch die Personenbeförderung über die Schiene deutlich zunehmen.

Auch Wasserwege sind nur bedingt eine Alternative. Mittels Binnenschifffahrt werden aktuell 195 Mio. Tonnen transportiert. Das Erweiterungspotenzial ist begrenzt, denn Kanalbau ist aufwendig. Im Klartext bedeutet das: Selbst bei massiven Investitionen in Schiene und Binnenwasserstraße wird der Straßentransport von überragender Bedeutung bleiben. Denn auch nach der avisierten Verdoppelung des Schienentransports würden trotz der Verlagerung noch rund drei Viertel des Güteraufkommens auf der Straße befördert werden.

Lkw und Busse sorgen für hohe CO2-Emissionen

Für den Klimaschutz ist das zunächst keine gute Nachricht, denn Lkw und Busse sind europaweit für etwa ein Viertel der CO2-Emisionen im Straßenverkehr verantwortlich, und dies, obwohl sie nur etwa 2,5 Prozent der Fahrzeuge ausmachen. Zusammen mit den leichten Nutzfahrzeugen, also vor allem Kleintransportern, beträgt der Anteil an den Emissionen sogar fast 40 Prozent. Um die europäischen und deutschen Klimaziele zu meistern und bis 2045 sogar CO2-Neutralität zu erreichen, muss also einiges geschehen. Eine umfassende Dekarbonisierung bzw. Defossilisierung des Straßengüterverkehrs ist dabei unumgänglich. Doch wie kann das gelingen?

Andere Ausgangslage als im Pkw-Verkehr

„Noch ist nicht klar, welche Technologie das Rennen machen wird oder wie sich ein künftiger Technologiemix gestaltet“, erläutert Benedikt Wirmer, Bereichsleiter Energie- und Klimapolitische Regulierung beim en2x – Wirtschaftsverband Fuels und Energie. Das zeigt auch ein Blick auf die Automobilindustrie. Die Nutzfahrzeughersteller und -zulieferer setzen derzeit auf drei Optionen:

  • den batterie-elektrischen Antrieb (Vollelektrisch oder Hybrid),
  • den Einsatz von CO2-neutralem Wasserstoff in Verbindung mit einer Brennstoffzelle oder einem Wasserstoffmotor und
  • die Verwendung erneuerbarer Kraftstoffe anstelle fossiler Produkte.

Eine Situation ähnlich wie früher im Pkw-Bereich, wo mittlerweile die E-Mobilität immer mehr an Bedeutung gewinnt? Nur bedingt. Denn die Anforderungen an Pkw sind nicht einfach auf den Nutzfahrzeugbereich übertragbar. Zu vielfältig sind dort allein schon die Einsatzzwecke und der Spezialisierungsgrad. Zu den oft schweren Transporten auf der Langstrecke kommen innerstädtische oder stadtnahe Verteilerverkehre, die gewerbliche Nutzung in Handwerk und Baugewerbe, Personentransporte im Nah- und Fernverkehr, Einsätze in Land- und Forstwirtschaft und nicht zuletzt auch bei Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz und im Militär hinzu. Und je nach konkretem Einsatzzweck können sich unterschiedliche Anforderungen an den Antrieb eines Fahrzeugs ergeben.

Nutzfahrzeuge: Wirtschaftlichkeit besonders wichtig

Dazu spielt bei Nutzfahrzeugen im gewerblichen Einsatz vor allem der Aspekt der Wirtschaftlichkeit eine große Rolle. Die Autos müssen dem nutzerspezifischen Geschäftsmodell entsprechen. Transportunternehmen etwa benötigen möglichst viel nutzbares Ladevolumen und eine möglichst hohe Zuladung. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Raum und Gewicht für Antrieb und die Energiespeicherung so weit wie möglich zu begrenzen. Bei Transportaufgaben steigt die Wirtschaftlichkeit eines Fahrzeugs, wenn Standzeiten auf ein Mindestmaß reduziert werden können. Dazu gehören Wartung, Be- und Entladezeit, Ruhezeiten des Personals, aber auch die Zeit für das Betanken oder Laden des Energiespeichers.

Entsprechend der vielfältigen Anwendungsfälle ist künftig daher auch eine gewisse Vielfalt von verschiedenen Technologien denkbar. So sind zum Beispiel heute bereits sehr viele Omnibusse mit Wasserstoff- oder Batterieantrieb im Einsatz. Im Katastrophenschutz oder beim Militär dürften hingegen flüssige Kraftstoffe auch künftig das Mittel der Wahl bleiben. Bei Lkw im Langstreckenverkehr, die nun einmal besonders viel Treibhausgase emittieren, ist die Situation dagegen noch offen. Die Hersteller verfolgen hier unterschiedliche Strategien.

E-Mobilität auch bei Lkw im Kommen

Dabei sind batterieelektrische Fahrzeuge im Kommen. Im Bereich leichter Nutzfahrzeuge, etwa im Regional- und Verteilerverkehr, sind sie schon im Einsatz. Die technologische Weiterentwicklung sorgt für kleinere und leichtere Batterien mit mehr Reichweite, die inzwischen auch für schwere Nutzfahrzeuge im Fernverkehr geeignet sind. Laut Verband der Automobilindustrie (VDA) wird derzeit geschätzt, dass bereits bis 2025 in Europa (EU & Großbritannien) ungefähr 10.000 mittelschwere Lkw mit 3,5 bis 16 Tonnen und 30.000 schwere Lkw mit mehr als 16 Tonnen Gewicht mit batterieelektrischem Antrieb unterwegs sein werden. Bis 2030 werde die Flotte in Europa auf ungefähr 70.000 mittelschwere und 200.000 schwere batterieelektrische Lkw anwachsen. Bei weiteren Verschärfungen bestehender Flottengrenzwerte könnte diese Zahl noch rascher steigen. Das setzt nicht nur ein großes Angebot an klimaneutralen Strom voraus: Für den Fernverkehr fehlt dazu momentan vor allem noch eine entsprechende Ladeinfrastruktur. Für das Laden elektrifizierter Reisebusse und Lkw wird ein flächendeckendes öffentliches Netz entlang der wichtigsten Verkehrsachsen benötigt; zudem, vor allem für mittelschwere Nutzfahrzeuge, auch Ladepunkte auf Betriebshöfen und in Güterverteil- und Logistikzentren.

Wasserstoffantriebe: Potenzial für die Langstrecke

Ähnlich gestaltet sich die Situation in Sachen CO2-neutraler Wasserstoff: Eingesetzt in Brennstoffzellen wird er vor allem als mittel- bis langfristige Chance für den Fernverkehr gesehen. Der Einsatz von Wasserstoff ermöglicht hinsichtlich Tankzeiten und Reichweite eine ähnliche Flexibilität wie bei bestehenden konventionellen Antrieben. Die Fahrzeugentwicklung ist fast so weit fortgeschritten wie bei batteriebetriebenen Lkw. Auch hier ist, neben den notwendigen Mengen klimaschonenden Wasserstoffs, der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur mit Betankungsmöglichkeiten für Lkw und Busse die große Herausforderung.

Biofuels und E-Fuels: Tankinfrastruktur ist schon da

Erneuerbare flüssige Kraftstoffe, ob E-Fuels oder fortschrittliche Biofuels, ermöglichen deutliche CO2-Reduktionen auf Basis der bestehenden Motortechnologie und damit im Betrieb der bestehenden Nutzfahrzeugflotte. Ein weiterer Pluspunkt ist die mögliche Nutzung der bereits bestehenden, gut ausgebauten Tankinfrastruktur. Dafür ist hier die ausreichende Verfügbarkeit entsprechender Produkte die derzeit größte Herausforderung. Synthetische Kraftstoffe sind in der Herstellung aufwändiger als erneuerbarer Wasserstoff oder grüner Strom und sorgen für mehr Umwandlungsverluste. Dafür haben sie eine höhere Energiedichte und sind so leichter zu speichern und zu transportieren. Das ermöglicht den Import und die Nutzung erneuerbarer Energie auch aus entfernten Ländern, die hierzulande sonst gar nicht zur Verfügung stünde. Zugleich sind Biofuels und E-Fuels in der Produktion kostspieliger als ihre fossilen Pendants, bedürfen also einer besonderen Regulierung oder Förderung, um zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden zu können.

Transformation: Mineralölwirtschaft setzt auf Vielfalt

Für die derzeitige Mineralölwirtschaft ergeben sich aus dieser Konstellation zahlreiche Herausforderungen, aber auch Chancen. „Um die Klimaziele zu erreichen, ist es unumgänglich, dass der Verkauf fossiler Kraftstoffe in den kommenden zwei Dekaden zurückgeht und schließlich ausläuft“, unterstreicht Benedikt Wirmer, dessen Verband die Transformation der Mineralölbranche hin zur Klimaneutralität begleitet und unterstützt. „Welche Technologien in welchem Maße künftig genutzt werden, ist noch offen. Daher sollte keine Option benachteiligt oder vorzeitig ausgeschlossen werden.“ Der parallele Aufbau von zwei neuen Infrastrukturen für Wasserstoff und Ladestrom in einem noch sehr dynamischen und unsicheren Geschäftsumfeld bringe große Herausforderungen mit sich. „Der zeitliche und technische Aufwand wird da oft noch unterschätzt“, so Wirmer. „Viele Aspekte in Technik, Normung und Zertifizierung von Wasserstoff- und Ladeinfrastruktur für den Schwerlastverkehr müssen zum Beispiel noch weiterentwickelt werden.“ So sei der Ausbau des Stromnetzes im Megawattbereich recht langwierig. „Unsere Mitglieder sind dabei zum Beispiel abhängig von der Zuteilung geeigneter Netzanschlüsse.“ Auch die Logistik von Wasserstoff sei deutlich anspruchsvoller im Vergleich zu Kraftstoffen und müsse noch etabliert und optimiert werden. „Viele unserer Mitgliedsunternehmen sind hier dennoch bereits engagiert und würden ihre Aktivitäten auch gern noch ausbauen“, berichtet Wirmer.

Technologiewettbewerb wird verzerrt

Die, auch von der Autoindustrie, befürwortete Offenheit für vielfältige Lösungen, ist in den politischen Plänen der EU derzeit allerdings nicht gegeben. Der aktuelle Vorschlag der Europäische Kommission bezüglich neuer CO2-Emissionsziele fokussiert stark auf elektrifizierte Erfüllungsoptionen und sieht beispielsweise keine Anrechnungsoption für alternative Kraftstoffe vor. „Wir halten das für eine unnötige Eingrenzung“, so Wirmer. Ohnehin sei der Technologiewettbewerb derzeit nur teils marktbasiert und durch viele Förderprogramme und Regulierungen verzerrt. „Erneuerbare Kraftstoffe könnten für zusätzlichen Klimaschutz sorgen und die Emissionen von Lkw mit Verbrennungsmotor senken. Das ist wichtig, denn die Klimaschutzziele lassen nicht genug Zeit bis zum vollständigen Auf- und Umbau der notwendigen Tank- und Ladeinfrastruktur für batterie- und wasserstoffangetriebene Fahrzeuge.“ Sektorübergreifend werden zusätzlich zur Elektrifizierung und der Nutzung von grünem Wasserstoff enorme Mengen an erneuerbaren Kraftstoffen für die Erreichung von Klimazielen benötigt. „Erneuerbare Kraftstoffe ersetzen fossile Kraftstoffe – nicht die Mobilität auf Basis von Wasserstoff und Batterien“, unterstreicht Wirmer.

Besseres Investitionsklima nötig

Wichtig sei daher, dass die Politik geeignete Rahmenbedingungen schafft, um Investitionen in den Hochlauf alternativer Kraftstoffe anzureizen. „Die Regulierungen in Deutschland und Europa sind bisher leider unzuverlässig und unzureichend: Ständige Änderungen, kurze Regulierungszeiträume und die restriktive Zuteilung erneuerbarer Kraftstoffe zu bestimmten Sektoren sind gerade für international agierende Unternehmen unattraktiv. Hier brauchen wir ein deutlich besseres Investitionsklima“, fordert Wirmer. Wichtige Stellschrauben seien neben der EU-Flottenregulierung vor allem die Lkw-Maut und eine Reform der Energiesteuer: Letztere gilt in Expertenkreisen als überfällig. Würden hier künftig die Klimawirkung berücksichtigt werden, würden erneuerbare Kraftstoffe steuerlich deutlich bessergestellt als fossile Produkte. „Je nach konkreter Ausgestaltung der Steuer könnten erneuerbare Kraftstoffe an der Tankstelle so schnell wettbewerbsfähig werden“, so Wirmer. Ähnliches gilt für die Berechnung der Maut, die in Deutschland derzeit gerade überarbeitet wird: „Die Maut hat sich in der Vergangenheit als Instrument mit großer Lenkungswirkung erwiesen. Daher ist es zu begrüßen, dass die Pläne der Bundesregierung für eine Maut-Neuregelung auch die Einführung einer CO2-Komponente vorsehen.“ Allerdings sei es wichtig, dass bei der Maut auch erneuerbare Kraftstoffe anerkannt werden. Dies ist derzeit noch nicht der Fall.

Thermomanagement von E-Autos

Entwicklung des Güterverkehrs nach Verkehrsträgern im Jahr 2021

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1 Kommentar

  1. Melli K.

    Spannender Beitrag! Auch wenn die ganzen nachhaltigen Lösungen gerade im Logistikbereich noch nicht so weit ausgebaut sind, ist es trotzdem schön zu sehen, dass bereits zahlreiche Firmen auf Elektromobilität und ähnliches setzen. In meiner Flotte haben wir uns vor einiger Zeit einige LNG-LKW von https://www.volvotrucks.de/de-de/trucks/gas-powered.html angeschafft, weil wir schon mehrere Jahre sehr bedacht handeln in Sachen Umweltschutz. Wir haben uns damals gegen Elektro-LKW entschieden, da die Lademöglichkeiten noch zu eingeschränkt sind, LNG war deswegen die perfekte Lösung für uns, weil wir auch so unsere Umweltschutzziele erreichen können.

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