Carbon Capture: Wohin mit dem CO2?

Das gezielte Herausfiltern von CO2 aus der Atmosphäre oder Abgasen ist eine mögliche Schlüsseltechnologie beim Kampf gegen den anthropogenen Klimawandel. Das Treibhausgas könnte gespeichert oder aber als Kohlenstoffquelle weiterverarbeitet werden. Doch so faszinierend diese Möglichkeit klingt: Gerade in Deutschland ist das Carbon-Capture durchaus umstritten.

Carbon Capture als eine Option für mehr Klimaschutz

Um den Klimawandel zu begrenzen, ist es notwendig den Anstieg der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre schnell auszubremsen und zu beenden. Kernelement dieser Strategie ist der Ausstieg aus der fossilen Energieversorgung: An die Stelle von Kohle, Erdgas und Öl treten klimaschonende, CO2-neutrale Alternativen. Doch reicht das aus? Wäre es nicht auch eine Option, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu verringern, indem das Gas direkt herausgefiltert und unschädlich eingelagert wird? Durchaus – dieser Gedanke drängt sich zumindest bei der Lektüre des jüngsten Berichts des Weltklimarates IPCC auf. In zahlreichen Szenarien wird dort die Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre vorausgesetzt, um die Klimaziele zu erreichen.

Unterschieden wird beim Carbon Capture insbesondere zwischen zwei Ansätzen.

  • Carbon Capture and Storage (CCS) ist eine Technologie, bei der CO2 aus Abgasen abgeschieden und langfristig gespeichert wird. Das Herausfiltern findet dort an der sogenannten „Punktquelle“ statt, wo die Emissionen anfallen, also etwa in einem Schornstein.
  • Beim Carbon Dioxide Removal (CDR) geht es zunächst darum, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. Diesbezüglich gibt es verschiedene Methoden. Am bekanntesten ist darunter wohl das sogenannten Direct-Air-Capture (DAC), bei dem CO2 nicht an der Quelle abgefangen, sondern der Umgebungsluft entzogen wird.

Die Unterscheidung ist relevant, gerade auch für die gesellschaftliche Diskussion, in der CCS oft als Risikotechnologie bezeichnet wird. Doch wodurch zeichnen dich diese Ansätze überhaupt konkret aus?

Carbon Capture - Direct Air Capture Anlage von Climeworks

So sieht eine Direct Air Capture Anlage aus.
Bild: Climeworks

Carbon Capture als eine Option für die Zementindustrie

CCS gilt vor allem als Option für Industrien, deren CO2-Emissionen ansonsten kurz- bis mittelfristig kaum zu reduzieren sind. Dazu gehört vor allem die Zementindustrie. Sie allein sorgt bei einer Weltjahresproduktion von rund 4,5 Milliarden Tonnen für einen Ausstoß von rund 2,7 Milliarden Tonnen CO2. Zum Vergleich: Die Treibhausgasemissionen ganz Deutschlands lagen 2021 bei rund 762 Millionen Tonnen. Die weltweite Nachfrage nach Zement dürfte in den kommenden Jahren weiter steigen. Und als Bindemittel für Beton wird Zement auch für viele Projekte gebraucht, die den Klimaschutz eigentlich voranbringen sollen, etwa für den Bau von neuen Bahnstrecken, um den Pkw-Verkehr zu reduzieren.

Zum hohen CO2-Ausstoß dieses Industriezweigs tragen vor allem zwei Prozesse bei: Der chemische Prozess bei der Entsäuerung von Kalkstein und der Brennprozess. Etwa zwei Drittel des in der Zementherstellung anfallenden CO2 sind also chemisch bedingt und können deshalb derzeit kaum vermieden werden. Hier könnte CCS also zum Beispiel einen relevanten Beitrag zum Klimaschutz leisten.

CO2 filtern und lagern

Für den Filterprozess kommen verschiedene Verfahren in Frage. Laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sind dies:

  • die Abscheidung des CO2 aus dem Rauchgas nach der Verbrennung.
  • die Abscheidung des Kohlenstoffs aus dem Brennstoff vor der Verbrennung.
  • die Verbrennung mit reinem Sauerstoff (das sogenannte Oxyfuel-Verfahren).

In der Öl- und Gasindustrie sind Verfahren zur CO2-Abscheidung bereits seit Jahrzehnten erprobt. So wird zum Beispiel die sogenannte Aminwäsche zur CO2 -Abtrennung in der Erdgas- und Biogasaufbereitung eingesetzt. Der Begriff erklärt sich dadurch, dass leicht alkalische wässrige Lösungen von Aminen (also organische Abkömmlinge des Ammoniaks) eingesetzt werden, die saure Gase absorbieren. In einem weiteren Schritt wird das CO2 durch Erhitzen wieder vom Amin getrennt, sodass jenes erneut genutzt werden kann.

Die Aminwäsche eignet sich gut für vergleichsweise „saubere“ Abgase mit hohen CO2-Anteilen. Dies ist bei Industrieanlagen und Kraftwerken jedoch oftmals nicht gegeben, weil deren Rauchgase aufgrund von Stickoxyden und Schwefel zu „schmutzig“ sind. Aus diesem Grund wird die Aminwäsche weiterentwickelt, um sie für CCS und DAC im größeren Maßstab einsetzen zu können. Zugleich kommen auch andere Verfahren zum Einsatz. Etwa die Hochtemperatur-Extraktion. In diesem Verfahren wird Kalilauge als Absorber eingesetzt. Durch Erhitzung auf etwa 900 Grad wird das ausgefilterte CO2 dann wieder konzentriert freigesetzt, um weiterverarbeitet oder eingelagert zu werden. Weitere Filtertechnologien umfassen die Verwendung von Feststoffen. Genutzt werden dabei Silikate, Zeolithen oder metallorganische Gerüstverbindungen.

Für mediale Aufmerksamkeit hat zuletzt auch der isländische CO2-to-stone-Ansatz CarbFix gesorgt, bei dem CO2 zusammen mit anderen sauren Gasen wie Schwefelwasserstoff in Wasser gelöst in den Untergrund verpresst wird, wo die Gase dann im Gestein mineralisiert und als chemisch stabile Mineralien gespeichert werden

Kraftwerk Hellisheidi, in dem der isländische CO2-to-stone-Ansatz CarbFix erprobt wird. 
Foto: Arni Säberg

Hoher Energieaufwand als Manko

Die große Hürde bei allen bislang erprobten Ansätzen: Der Energieaufwand ist hoch. Ein künftiger Einsatz im großen Maßstab würde nach heutigem Stand einen erheblichen, zusätzlichen Bedarf an erneuerbar erzeugtem Strom nach sich ziehen. Zudem ist CCS gerade in Deutschland ein umstrittener Pfad in Sachen Klimaschutz. Der Widerstreit der Meinungen bezieht sich dabei weniger auf das Einfangen des CO2, sondern vor allem auf die Frage der Lagerung. Um anfallende Transportkosten niedrig zu halten, bietet es sich an, das eingefangene CO2, soweit möglich, in geringer Entfernung zum emittierenden Ort zu speichern. Für den Transport größerer Gasmengen könnten Pipelines genutzt werden. Der BGR zufolge lässt sich die Speicherung von CO2 hierzulande am effektivsten im Porenraum von Gesteinen in mindestens 800 Metern Tiefe realisieren. Unter den dort auftretenden Druck- und Temperaturbedingungen hat das CO2 ein deutlich geringeres Volumen als in der Erdatmosphäre.

Alte Erdgasfelder als künftige Speicher?

Als günstige Speicherorte benennt die BGR insbesondere erschöpfte Erdgaslagerstätten, da deren Deckschichten über Jahrmillionen Gase zurückhalten konnten, der Untergrund schon gut bekannt ist und zum Teil auch bereits vorhandene Infrastruktur genutzt werden könnte. Die Speicherkapazität erschöpfter Erdgasfelder liegt laut BGR deutschlandweit bei etwa 2,75 Milliarden Tonnen. Aus ähnlichen Gründen wären auch frühere Erdöllagerstätten gut geeignet. Das Speicherpotenzial ist jedoch vergleichsweise gering und wird auf etwa 130 Millionen Tonnen beziffert. Ebenfalls in Betracht kommen laut BGR auch tiefe, Salzwasser führende poröse Gesteinsschichten, die nicht für die Trinkwassergewinnung geeignet sind.

Das Umweltbundesamt (UBA) sieht im Hinblick auf CCS jedoch auch Risiken und offene Fragen. Die notwendigen oberirdischen Anlagen insbesondere für den Transport und die Speicherung könnten sich negativ auf ⁠Flora⁠, ⁠Fauna⁠, Landschaft und die ⁠Biodiversität⁠ auswirken. Eine effektive Überwachung sei eine zwingende Voraussetzung für den Einsatz der CCS-Technologie. Diesbezüglich sieht das UBA noch erheblichen Forschungsbedarf.

Die Nutzung weiter Teile des tiefen Untergrundes für eine dauerhafte Speicherung von CO2 über Jahrtausende könne überdies andere Nutzungen einschränken. Das UBA sieht hier potenzielle Nutzungskonflikte im Hinblick auf Geothermie und der Speicherung von Erdgas oder regenerativ erzeugtem Methan. Aus diesem Grund besteht die Notwendigkeit, eine unterirdische Raumordnung vorzunehmen. Für diese seien noch eindeutige rechtliche Grundlagen und die notwendigen fachlichen Konzepte zu erarbeiten.

Manche NGOs lehnen CCS grundsätzlich ab. Greenpeace spricht diesbezüglich etwa von einer „unkalkulierbare(n) Risikotechnik“. Begründet wird dies mit einer unausgereiften Technologie etwa mit der Möglichkeit von Leckagen oder der Verunreinigung von Grundwasser. Auch hohe Kosten und der zusätzliche Strombedarf werden als Kritikpunkte aufgeführt. Gefordert wird daher, besser CO2 zu vermeiden als zu verpressen.

Zurückhaltung vor allem in Deutschland

Die Abscheidung des CO2 wird hierzulande vor allem vom Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) geregelt, Transport und die Speicherung vom Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG). Das KSpG lässt seit 2012 die Erforschung, Erprobung sowie Demonstration der CO2-Speicherung in begrenztem Ausmaß zu. Zugleich ist es jedoch den Bundesländern möglich, gesetzlich festzulegen, in welchen Gebieten die Erprobung und Demonstration zulässig sein soll und in welchen nicht. So hat zum Beispiel Schleswig-Holstein für sein Territorium ein CCS-Verbot verfügt.

Während in Deutschland derzeit vor allem CCS-kritische Stimmen den Ton angeben, sieht die Situation international mitunter ganz anders aus. In den USA setzt zum Beispiel der Mineralölkonzern Exxonmobil auf CO2-Abscheidung und -Speicherung und betreibt in LaBarge, Wyoming, die derzeit größte CCS-Anlage der Welt. Sie scheidet etwa sechs bis sieben Millionen Tonnen CO2 jährlich ab. Bis 2025 soll dieser Wert noch einmal um 1,2 Millionen Tonnen steigen. Auch in Europa wird der Konzern aktiv. Vorgesehen sind CCS-Projekte in den Niederlanden, Schottland und der Normandie.

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In Norwegen wird groß gedacht

Als staatlicher Akteur hat zuletzt Norwegen für Schlagzeilen in Sachen Carbon Capture and Storage gesorgt. Im Rahmen des Staatsbesuchs von Bundeskanzler Olaf Scholz im August 2022 schlug Ministerpräsident Jonas Gahr Støre laut Medienberichten vor, künftig das gesamte in Europa produzierte CO₂ in Norwegen einzulagern. Dazu soll es rund 3.000 Meter tief im Meeresboden vor der Küste des skandinavischen Landes verpresst werden. Entsprechende Erfahrungen werden insbesondere im Rahmen des Northern-Lights-Projekts gesammelt, einer Gesellschaft, an der die Energiekonzerne Equinor, Shell und TotalEnergies beteiligt sind.

Dass es möglich sein sollte, ein groß angelegtes CO2-Transportsystem zwischen Deutschland und Norwegen einzurichten, stellte jüngst auch die Untersuchung „Achieving net zero plus reliable energy supply in Germany by 2045: the essential role of CO2 sequestration“ fest, die im Juni 2022 vom Oxford Institute for Energy Studies veröffentlicht wurde.

DAC: CO2 als Rohstoff für E-Fuels

Doch die Einlagerung von CO2 ist, wie eingangs erwähnt, nur eine Option. Eine andere besteht darin, das Gas aus der Atmosphäre zu filtern und im Sinne eines geschlossenen Kohlenstoffkreislaufs wiederzuverwerten. Bei CDR und DAC wird das CO2 also nicht aus Abgasen, sondern direkt aus der Atmosphäre gezogen: als mögliche Kohlenstoffquelle bei der Herstellung von E-Fuels. Kommen diese später in Verbrennungsmaschinen wie Kfz-Motoren zum Einsatz, wird dabei nur so viel CO2 freigesetzt, wie der Atmosphäre zuvor entnommen worden ist. In der Bilanz sind solche Kraftstoffe daher treibhausgasneutral.

Zu den Protagonisten in Sachen DAC zählt das schweizerische Unternehmen Climeworks, das auf die bereits erwähnte CO2-to-stone-Methode von CarbFix setzt. Im Jahr 2021 ging in Island mit „Orca“ eine DAC-Anlage in Betrieb, die jedes Jahr 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft saugen und in den Boden injizieren soll. Sie ist nach Unternehmensangaben die weltweit erste Anlage zur direkten Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid aus der Luft, die kommerziell betrieben wird. Im Sommer 2022 gab Climeworks den Bau einer weiteren, größeren Anlage, genannt „Mammoth“, bekannt. Sie soll eine CO2-Abscheidung von 36.000 Tonnen pro Jahr ermöglichen.

Carbon Capture Prozess DAC Climeworks

Bild: Climeworks

Technische und natürliche Methoden 

Neben solchen technologischen Lösungen, die Richtung Kreislaufwirtschaft gehen, gibt es jedoch auch naturbasierte CDR-Methoden. Zu ihnen gehört etwa die gezielte Aufforstung und Wiederaufforstung sowie die Renaturierung von Mooren. Der Grundgedanke dabei: Die Pflanzen filtern mittels Photosynthese das CO2 aus der Atmosphäre, nutzen es für ihr Wachstum und bilden somit „natürlichen CO2-​Senken“. Doch auch hier bestehen Herausforderungen, wie die Hitzesommern der letzten Jahre zeigten: Neue wie bestehende Wälder müssen vor Dürre, Schädlingen und Bränden geschützt werden – auch damit das natürlich aus der Atmosphäre gefilterte CO2 nicht doch zeitnah wieder freigesetzt wird.  

Eine Mischform aus natürlicher und technischer CO2-Speicherung bildet das Bioenergy Carbon Capture and Storage, kurz BECCS. Auch bei dieser Option wird der Kohlenstoff zunächst beim Wachstum der Pflanze gebunden. Beim energetischen Einsatz der Biomasse wird das CO2 entweder geologisch gespeichert oder wiederverwendet. Das führt über einen klimarelevanten Zeitraum in der Gesamtbilanz zu negativen CO2-Emissionen.  

Der Einsatz von BECCS wäre besonders für Prozesse im Industriesektor geeignet, die einen großen Wärmebedarf mit hohen Temperaturen haben. In diesen Fällen können fossile Brennstoffe durch Biomasse ersetzt werden. Durch die anschließende CO2-Abscheidung können so sogar negative Emissionen erreicht werden. Der gleiche Effekt wird bei Abscheidung von biogenem Kohlenstoff an einer Bioenergieanlage erzielt. 

Wie geht es jetzt weiter? 

Auch wenn in Deutschland die Vorbehalte in Sachen CCS groß sind – weltweit werden im Sinne des Klimaschutzes künftig sowohl CCS als auch CDR zur Anwendung kommen. Dabei ist jedoch klar, dass solche Maßnahmen kein Ersatz für die Anstrengungen sind, Treibhausgasemissionen grundsätzlich zu reduzieren. Wie so oft in der Klimaschutzdiskussion geht es hier im globalen Maßstab um ein Sowohl-als-auch, nicht um ein Entweder-oder.   

In dem von der dena beauftragten Kurzgutachten „Technische CO2-Senken“ der Prognos AG werden noch weitere Schlussfolgerungen für die Zukunft gezogen. Konkret fordern die Gutachter die Entwicklung einer integrierten Strategie für natürliche und technische CO2 -Senken sowie einer Roadmap für deren Hochlauf. Ebenso sei der Aufbau der erforderlichen CO2-Infrastruktur rechtzeitig anzugehen.  

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