Wasserstoffimport via Pipeline: Das SoutH2-Korridor-Projekt

Ein Beispiel für die länderübergreifende Planung der künftigen Transportinfrastruktur für Wasserstoffimporte in die europäische Union: Über eine Pipeline könnte ab 2030 grüner Wasserstoff von Nordafrika nach Italien, Österreich und Deutschland transportiert werden. Die 3.300 Kilometer lange Fernleitung soll eine Kapazität von mehr als vier Millionen Tonnen pro Jahr haben und damit 40 Prozent der EU-Importziele für 2030 erfüllen können. Die Leitung wäre Bestandteil eines umfassenden europäischen Wasserstoffnetzes, dem „European Hydrogen Backbone“ (EHB).

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Wasserstoff, der mit Hilfe grüner Energie aus Wind, Sonne oder Wasserkraft gewonnen wird, ist für die Transformation der EU-Staaten zur Klimaneutralität ein Schlüsselelement. Großen Bedarf nach grünem Wasserstoff haben künftig insbesondere die Industriestandorte mit Stahl-, Chemie- und Petrochemie-Produktionen. Neben der innereuropäischen Erzeugung und Verteilung über Netze, etwa aus der Nordsee, Skandinavien oder südeuropäischen Küstenregionen, wird der überwiegende Teil des Wasserstoffbedarfs importiert werden müssen. Schiffstransport aus fernen Erzeugerländern wie Chile, Namibia oder Australien und Pipelinetransport aus EU-nahen Regionen wie Nordafrika und Naher Osten (MENA) sind die Transportmittel der Wahl. Die Schaffung der dazu erforderlichen Transportinfrastruktur ist eine der großen Herausforderungen beim Aufbau eines Wasserstoffmarktes, die nur über länderübergreifende Zusammenarbeit und die Verzahnung großer Infrastrukturprojekte zu bewältigen sein dürfte. Das Projekt SoutH2-Korridor liefert dafür ein gutes Beispiel.

Beim SoutH2-Korridor soll die Pipelineverbindung überwiegend auf bereits vorhandener Gasleitungsinfrastruktur basieren, was wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit des in MENA-Ländern hergestellten Wasserstoffs beitragen kann. Dazu zählt im Wesentlichen die bereits bestehende Gaspipeline Transmed (Trans-Mediterrane Gasleitung, auch Gasleitung „Enrico Mattei“, GEM genannt), über die seit Mitte der 1980er Erdgas von Algerien und Tunesien über das Mittelmeer nach Sizilien bis nach Norditalien transportiert wird. Zu mehr als 70 Prozent soll umgewidmete Infrastruktur genutzt werden. Der geplante H2-Korridor wird in Österreich, Deutschland und Italien von Politik und Wirtschaft unterstützt, insbesondere seitens der Unternehmen, die entlang des Korridors an der Produktion und der Abnahme von Wasserstoff beteiligt sind.

Am Projekt beteiligt sind die Übertragungsnetz-/Gaspipelinebetreiber Società Nazionale Metanodotti (Snam), die beiden österreichischen Unternehmen Trans Austria Gasleitung GmbH (TAG) und Gas Connect Austria GmbH (GCA) sowie die deutsche Bayernets GmbH.

SoutH2-Korridor bündelt vier nationale Projekte

  • „Italian H2-Backbone“: Snam Rete Gas plant vom Einspeisepunkt in Sizilien rund 2.300 Kilometer Pipelines, davon 73 Prozent wiederverwendete Gasleitungen, sowie mehrere Hundert Megawatt an Verdichterstationen. Die Importkapazität aus Nordafrika liege bei etwa 450 Gigawattstunden pro Tag (GWh/Tag) und ermögliche einen Export von 170 GWh/Tag nach Österreich sowie weiter in den Norden. Snam ist seit Januar 2023 in Nordafrika aktiv. Das Unternehmen hat eigenen Angaben zufolge mit nordafrikanischen Wasserstoffproduzenten bereits Absichtserklärungen für die Produktion von rund 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr unterzeichnet.
  • H2 Readiness“: Das Projekt „H2 Readiness of the TAG pipeline system“ verbindet die Pipeline an der italienisch-österreichischen Grenze in Arnoldstein mit jener an der österreichisch-slowakischen Grenze in Baumgarten. Dabei werde eine von drei bestehenden Erdgaspipelines für Wasserstoff umgewidmet, die sowohl mit der H2-WAG-Pipeline von GCA innerhalb Österreichs als auch der H2-Pipeline Eustream verbunden ist. Das System sei für eine Importkapazität von 168 GWh/Tag aus Nordafrika optimiert, wobei hauptsächlich die bestehende Infrastruktur genutzt werde. Dank der bidirektionalen Auslegung der 380 Kilometer langen TAG-Pipeline könnten auch die Slowakische Republik und Tschechien angebunden werden, außerdem sämtliche mittel- und osteuropäische Länder (CEE), um einen gemeinsamen Wasserstoffmarkt zu entwickeln.
  • „H2 Backbone WAG + Penta-West“: Das GCA-Projekt ermögliche bidirektionale grenzüberschreitende Wasserstofftransporte zwischen der Slowakei und Österreich sowie zwischen Österreich und Deutschland und erlaube die Übernahme von Wasserstoff, der über die TAG-Systeme im Knoten Baumgarten ankommt. Transportkapazität: 150 GWh/Tag. Das Vorhaben werde sowohl vom Umweltministerium als auch von „zahlreichen führenden Industrieunternehmen in Österreich“ entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette unterstützt.
  • „HyPipe Bavaria – The Hydrogen Hub“: Das bayerische Wasserstoffnetz von Bayernets sei nach Unternehmensangaben „eine wesentliche Voraussetzung für den Aufbau von Importrouten aus Süd- und Osteuropa“ für den deutschen Markt. Dafür stelle man einen Importpunkt mit einer Kapazität von 144 GWh/Tag (6 GWh/h) zwischen Österreich und Deutschland zur Verfügung. Ab 2025 werde der erste Leitungsabschnitt mit einer Länge von 14 Kilometern im bayerischen Chemiedreieck in Betrieb gehen, gefolgt von weiteren regionalen Projektbausteinen bei Ingolstadt. Im Jahr 2030 werde das Netz 300 Kilometer umfassen.

Damit der H2-Pipelinekorridor umgesetzt werden kann, haben die Initiatoren jeweils einzeln die Anerkennung und Förderung als Projects of Common Interest im Rahmen der TEN-E-Verordnung der EU-Kommission eingereicht. Wenn alles gut läuft, könnte ab 2030 grüner Wasserstoff, der größtenteils in Nordafrika produziert wird, in die Nachfragecluster Italien (z. B. Augusta, Taranto und Norditalien), Österreich (z. B. Steiermark, Wien und Linz) und Deutschland (z. B. Burghausen und Ingolstadt) geleitet werden. Auch der Transport der inländischen Produktion in jedem der Mitgliedsstaaten würde durch den Süd-H2-Korridor erleichtert, so die Projektbeteiligten.

Weitere Infos zum SoutH2-Korridor-Projekt unter https://www.south2corridor.net/

European Hydrogen Backbone – länderübergreifende Planung der europäischen H2-Infrastruktur

Der Süd-H2-Korridor ist wichtiger Teil des europäischen Wasserstoffnetzes, das die European Hydrogen Backbone-Initiative (EHB) anstrebt und zum Erreichen der Dekarbonisierungsziele der EU beitragen soll. Im Rahmen der gesamten EU-Wasserstoffstrategie könnte die EHB-Initiative eine zentrale Rolle spielen. In der Initiative kooperieren 32 europäische Gas- Fernleitungsnetzbetreiber. Sie haben einen Vorschlag für fünf paneuropäische Wasserstoffversorgungs- und Importkorridore erarbeitet. Das geplante europäische Wasserstoffnetz wird dabei in fünf Abschnitten entwickelt, bestehend aus dem Nordsee-Korridor, dem Baltikum-Korridor, dem Südwest-Korridor, dem Südost-Korridor sowie dem Nordafrika-Korridor. Die EHB-Initiative empfiehlt, die Einrichtung dieser Importkorridore einschließlich aller Infrastrukturanforderungen als politisches Ziel in den REPowerEU-Plan aufzunehmen.

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EHB-Vision für ein Wasserstoffnetz im Jahr 2040

Quelle: EHB-Studie „European Hydrogen Backbone – European Hydrogen Infrastructure Vision Covering 28 Countries, S. 5

Das Gesamtnetz von European Hydrogen Backbone mit zunächst fast 28.000 km Leitungen soll Industriecluster, Häfen und Wasserstofferzeuger mit den großen Nachfrageregionen verbinden und so die Grundlage einer künftigen Wasserstoffversorgung im Großmaßstab bilden. Etwa 69 % des geplanten Wasserstoffnetzes sollen aus umgewidmeten Erdgasleitungen bestehen. Die restlichen 31 % sind als neue Anschlussleitungen geplant für künftige Wasserstoffabnehmer in Ländern mit derzeit kleinen Gasnetzen aber voraussichtlich hohem Wasserstoffbedarf und -angebot. Die erforderlichen Gesamtinvestitionen schätzt die EHB-Initiative auf 43 bis 81 Mrd. Euro. Die Ausgestaltung des Backbones und Zeitplan seiner Umsetzung hänge von den jeweiligen Marktbedingungen für Wasserstoff und Erdgas sowie von der Schaffung eines stabilen Regulierungsrahmens ab. (Siehe dazu EHB-Studie von April 2022.)

CINES-Studie*: Nordafrika und Saudi-Arabien könnten wichtigste Wasserstofflieferanten für Europa werden

Laut einer Potenzialstudie von Fraunhofer CINES und Geostock könnte Europa bis 2050 fast die Hälfte seines Wasserstoffbedarfs durch Wasserstoffimporte via Pipelines aus den MENA-Ländern Marokko, Tunesien, Algerien, Libyen, Ägypten und Saudi-Arabien decken. Prof. Dr. Mario Ragwitz, wissenschaftlicher Leiter von CINES und Leiter des Fraunhofer IEG verwies in einer Präsentation zur Studie auf die ehrgeizigen EU-Klimaziele, insbesondere des REPowerEU-Plans. Danach sollen bis zum Jahr 2030 10 Millionen Tonnen bzw. 330 TWh pro Jahr erneuerbaren Wasserstoff innerhalb der EU produziert und 10 Millionen Tonnen zu importiert werden. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, die kosteneffizienten Potenziale der MENA-Länder für eine Zusammenarbeit zu berücksichtigen. Er erwähnte, dass wahrscheinlich mehr als die Hälfte der 10 Mio. Tonnen Wasserstoffimporte bis 2030 und der Importe bis 2050 in der EU auf Pipeline-Importen aus den MENA-Ländern beruhen müssen. Die Studienautoren betonen, dass unter den richtigen Bedingungen (Produktionskapazitäten, Politik, Infrastruktur, Finanzierung, Zertifizierung und Entwicklung des Humankapitals) das große technische Potenzial der MENA-Länder für den Export von grünem Wasserstoff die europäische Nachfrage nach Wasserstoff decken könnte. Allerdings gäbe es große Hürden, die überwunden werden müssten.

*Fraunhofer CINES/Geostock: Clean hydrogen deployment in the Europe-MENA region from 2030 to 2050; A Technical and Socio-Economic Assessment (2023)

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Primärenergiebedarf und Wasserstoffpotenzial inkl. Export für ausgewählte MENA-Länder

Quelle: Fraunhofer CINES/Geostock (2023) auf Basis Fraunhofer IEE Globaler PtX-Atlas

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